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Isa Garantiert Kompliziert: It’s Just a Body

Isabelle Dahinden

Ein Frauenkörper wird begutachtet und beurteilt von anderen. Vom Wunsch, einen Sommer zu erleben, in dem wir Körper einfach Köper sein lassen.

Ich habe ein kleines Ränzli bekommen. Nicht viel, aber doch ganz gut sehbar. Und spürbar. Für mich jedenfalls. Damit begannen die Fragen. Sind es die Gluten, liegt’s an der neuen Pille? Rächt sich der Corona-Koller? Liegt’s gar nicht an mir, ist es vielleicht ein ultraspäter Pubertätsschub, Fettmasse, die einfach mal so Lust hat, sich auszubreiten? Ist es doch der böse Prosecco?

Es hadert doch jeder ein bisschen mit seinem Körper

Letztens – bei einem Bier mit Freunden (es MUSS am Alkohol liegen) – hat sich jeder reihum über ein paar Kilos zu viel beklagt. Oder über zu viel oder zu wenig Rundungen. Auch Männer, die sich dann im Internet irgendwelche Kollagenpillen zum Abnehmen bestellt haben. Gegenseitig sprachen wir uns Mut zu: “Voll need hesch zuegno”, “Hätti voll nööd gseh, imfall”. Als ich mit einstimmte (eigentlich zufrieden, aber neuerdings mit Mini-Ränzli unterwegs) hiess es dann prompt, dass ich mich ja nun wirklich nicht beklagen müsse. Als “die Schlankste in der Runde”.

Tja, dann war ich halt erst mal ruhig. Aber: ich leide. Ein bitzli jedenfalls. Manchmal, wenn ich im Seebad über die Holzfliesen laufe, ziehe ich ein bisschen meinen Bauch ein. Das tue ich manchmal auch, wenn ich in der Stadt an einem Café mit Menschen vorbeieile. Oder an einem Schaufenster, in dem ich mich selbst spiegle. Ich und mein Ränzli.

It’s a Food-Baby

Anders als in meinem Freundeskreis reden Frauen “da draussen” ganz anders über die Körper anderer. “So seh ich aber schon nicht aus? Gäll?”, hörte ich letztens eine Frau in der Seebadi ihre Kollegin nebenan fragen. “GÄLL?! So dick?” und boxt ihr in den Oberarm. “Und ich habe den besseren Hintern. Die wiegt zu viel und ist ein Brett.”

Frauen können so gemein sein. Nach einem Italientrip habe ich auf Instagram ein Bild gepostet. Mit Bauch. Weil: Pizza everyday. Habe ich beim Posten nicht bemerkt. Und was passiert? Eine frühere Ausgangskollegin schreibt: “Bist du schwanger? Hihihihi.” Ich hab dann nur noch das Ränzli auf dem Bild gesehen. Also habe ich es gelöscht.

Mal ehrlich: Es ist zum Kotzen, wie Frauen die Körper anderer Frauen bewerten. Mich eingeschlossen. Nach dem Kommentar meiner Kollegin (“Bist du schwanger? Hihihihi”) checkte ich ihr Instagram-Profil ab. Jojo-Effekt, heute dünn, morgen wieder mollig. Gerade steckt sie wieder in letzterer Phase, so mein Urteil.

Die Arme zu schwabbelig, am Bauch zu viel, am Busen zu wenig, die Beine zu dick, zu flach der Hintern, zu kurz die Beine: Frauen lamentieren über ihre Körper und die Körper anderer Frauen, bestimmen im Kollektiv, was wir ab-“normal” finden sollen.

Orangen- und Erdbeerhaut

Body Positivity finde ich schön und gut – zum Teil aber auch nur so semi-befriedigend. Wenn ich durch mein Instagram scrolle, sehe ich Fotos von Frauen, die ihre Dehnungsstreifen an Hintern und Oberschenkel in die Kamera strecken (#SelfLove, #NormaliseNormalBodies et cetera pp). Ich renne dann zum nächstbesten Spiegel, nur um zu diagnostizieren, ob ich auch davon betroffen bin. Warum? Weil ich mich – ganz ehrlich – in meinen 28 Jahren noch nie mit Cellulite befasst habe. Kleiner Spoiler: Ich bin eine von diesen Celluliterinnen (#EineWieAlle).

Ich finde: Jede*r soll sich in seinem Körper wohlfühlen. Deswegen habe ich mich mit meinem Ränzli angefreundet. Aber: Ich will die Trennung. Deswegen hula-hoope ich seit einigen Wochen. Und trinke gegen die Blähungen Wasser mit Apfelessig. Schmeckt scheusslich, aber es hilft. Und noch viel mehr arbeite ich daran, mich selber nicht mehr so wahnsinnig darüber zu machen. Ich arbeite daran, dass mein Kopf wieder freier wird.

Hauptsache, ich fühl mich wohl. Und was ich mir für diesen Sommer wünsche: Hört auf, die Körper anderer zu bewerten und darüber zu urteilen. Ich wünsch mir einen Sommer, in dem wir Körper einfach Körper sein lassen. Einen Sommer, in dem es kein zu dünn, zu dick, zu rund oder zu flach gibt. Einen Sommer, der uns einfach uns sein lässt.

Isabelle Dahinden – Stadtluzernerin, single und Ende 20 – ist Journalistin beim Luzerner Onlinemagazin zentralplus. Alle zwei Wochen gibt sie in ihrer Kolumne “Isa, garantiert kompliziert” Einblick in ihren meist komplizierten Alltag. Die Kolumne ist zuvor hier erschienen.