Einige Jahre sind vergangen seitdem ein Disc-Jockey in den Radios für Musikunterhaltung sorgte und dann Kool DJ Herc sowie Grandmasterflash Grundsteine wie das Sampling, Scratching und Backspinning für den HipHop legten. Heute ist eine DJ bzw. ein DJ ein Rockstar, die bzw. der riesige Festivalgelände füllt. Wenn in einigen Monaten die Festivalsaison beginnt, könnte man aber in vielen Line-ups meinen, dass hauptsächlich nur Männer Interesse am Auflegen haben. Das stimmt natürlich nicht und hier kommt der Feminismus ins Spiel. Vereine, mit sackstarken Ideen, die für junge Frauen* die DJ-Türen öffnen, die oftmals wegen fehlenden Vorbildern und mangelnder Inspiration verschlossen bleiben. Doch Helvetiarockt!
Ich erinnere mich an meine Tanzkarawanen durch das Berner HipHop-Nachtleben. Eine gute Party definierte sich durch einen guten DJ. Und ja, ich war oft an Parties und kann mich leider selten an eine Frau hinter dem DJ-Pult erinnern. Es war normal, dass ein Mann diese Rolle übernimmt und die Menge zum Toben bringt. HipHop, ein Genre, welches tendenziell nicht immer sehr frauenbestärkend ist und die Akteure mehrheitlich männlich sind. In der elektronischen Tanzmusik gibt es geschichtlich etwas mehr Diversität. Wer jedoch heute auf Festivals oder in Clubs zum Tanzen geht, sieht eine Partyszene, die hauptsächlich weiterhin von weissen Technoboys dominiert wird. Weibliche DJs müssen um Sicht- und Hörbarkeit kämpfen, oder werden gebucht, weil noch eine Frau fehlt oder eine heisse Schnitte im Tanzsaal noch passen würde. Eine selektive Ausgrenzung und auch eine Bevorzugung aus falschen Gründen finden häufig statt. Doch seit Längerem verändert sich etwas am Horizont.
“Wir hoffen, dass sich jede Teilnehmerin*, auch nach Kursende, weiterhin als Teil der Community sieht und alle miteinander vernetzt bleiben.”
Der Verein Helvetiarockt hat seit 2009 eine klare Mission: Die weibliche Partizipation in der Schweizer Musikbranche soll zunehmen. Und wie genau? Zum Beispiel durch ein vielfältiges Angebot an Workshops, wie etwa Djing, Songwriting oder Beatmaking. Co-Projektleiterin Kathy Bajaria erzählt, dass im Female* Music Lab nicht nur fleissig gemixt und gescratcht wird. Während der Zusammenarbeit in den Kursen entsteht eine besondere Vertrauenskultur, die eine wunderbare Energie kreiert. Diese Energie ermutigt zum Teilen der Werke, zu einem konstruktiven Feedback und zur Motivation weiterzumachen: “Wir hoffen, dass sich jede Teilnehmerin*, auch nach Kursende, weiterhin als Teil der Community sieht und alle miteinander vernetzt bleiben.”
Denn der Anfang ist nicht immer einfach, da uns Frauen* oftmals die Vorbilder fehlen oder uns beigebracht wird, dass wir mit Technik nichts am Hut haben. Kathy erinnert sich: „Als junge Erwachsene zog ich nach Liverpool, besuchte an einem Freitagabend einen chilligen Jazz-Club. Niemand schien den Vibe des DJs zu spüren, doch ich näherte mich ihm und ohne viel zu überlegen, bot ich meine nicht-vorhandenen DJ-Dienste an. Kurze Zeit später war ich die wöchentliche Resident-DJ.”
Wie so oft führen ein starker Zusammenhalt und eine kreative Interaktion untereinander zu neuem Selbstbewusstsein.
Solch eine Entschlossenheit und noch viel mehr soll durch die Workshops – die mittlerweile jährlich auf Deutsch und teils Französisch stattfinden – vermittelt werden. Kathy betont, dass die junge Frauen* nach dem Prinzip “Just do it” agieren sollen, die nötige Unterstützung und Werkzeuge bietet das Female* Music Lab. Wie so oft führen ein starker Zusammenhalt und eine kreative Interaktion untereinander zu neuem Selbstbewusstsein.
Die Musikbranche in der Schweiz rückt langsam nach, beobachtet Kathy. Teils durch den medialen Druck, aber sicherlich auch weil die Künstlerinnen* an Visibilität gewinnen. Es tut sich was. Die tatsächliche Veränderung werden wir klar spüren, wenn die Festival- und Partyveranstalter_innen verstehen, warum eine Veränderung überhaupt so dringend nötig und wichtig ist. Mehr Diversität bitte! Wie DJ Dijon Honey – die der Trans-Kultur eine Stimme gibt – in einem Interview mit GQ sagt: “We haven’t had a social revolution in a very long time. And we’re ready for one.” Jawohl, vor und hinter den Turntables.
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Photocredit: Nathalie Smrkovsky