Das Tanzen gehört zu meinen grossen Lieben. Weil ich wegen meinem Hüftschwung ständig angegraben wurde, verlor ich irgendwann die Lust daran – bis ich bei Instagram auf Frauen gestossen bin, die komplett ausgelassen tanzen und sich dabei richtig feiern. Und das ganz allein.
“Du kannst dich so geil bewegen”, sagte ein Fremder im Club zu mir, fasste an meine Hüfte und presste sich an mich. Es war nicht das erste Mal, dass mir gesagt wurde, dass ich “verdammt sexy” tanze. Aber es war der Moment, in dem ich endgültig die Lust am Tanzen verlor.
Growing up as a Tanzfüdli
Als meine Mutter mit mir schwanger war, tanzte sie täglich (sie ist fest davon überzeugt, dass ich nur darum so ein Tanzfüdli bin). Als Kind übte ich im Wohnzimmer stundenlang Fantasie- Choreographien zu J.Los “Let’s Get Loud” und Annie Lennox’ “Walking on Broken Glass”. Beim Zähneputzen lieferten mein Mami und ich uns Dance-Battles zu Toploaders “Dancing in the Moonlight”. Ich liebte es, den Rhythmus zu spüren und ausgelassen durchs Haus zu tanzen.
Später tanzte ich in einer Teen-Gruppe, danach folgten Paartänze und bald beschränkte sich das Tanzen nur noch auf den Dancefloor im Club. Männer sahen das immer wieder als Aufforderung, Kommentare abzugeben, mir lüsterne Blicke zuzuwerfen und mich anzufassen. Nach unzähligen solcher Erfahrungen fühlte es sich irgendwann nicht mehr gut an, zu tanzen. Ich hörte damit auf – obwohl das Tanzen bis dahin zu meinen grössten Leidenschaften gehörte.
Wie ich die Lust am Tanzen wiederfand
Ich entdeckte das Tanzen für mich wieder, als ich auf Instagram Frauen sah, die nur für sich tanzten. Ganz allein. Autorin Jaqueline Scheiber tanzt im Wohnzimmer, Künstlerin Camilla Engstrom im Atelier, Tänzerin Marlee Grace im Supermarkt, Künstlerin Lala Lopez im Schlafzimmer. Sie bewegen sich so frei zur Musik und scheren sich nicht darum, wie sie dabei aussehen. Es geht ihnen nur darum, ganz bei sich und ihrem Körper zu sein. Sich selbst etwas Gutes zu tun und Spass zu haben. Und diese Energie ist ansteckend. Ich spürte, wie meine Begeisterung fürs Tanzen zurückkam.
Seither weiss ich: Sich am Morgen in Unterwäsche wachzutanzen und mit Glücksgefühlen und einem entspannten Körper in den Tag zu starten, ist die beste Morgenroutine ever. Oder am Mittag Freund_innen dazu holen, zusammen eine Dance-Session einlegen und die schrägsten Moves auspacken. Eine ausgelassene Runde Tanzen, das darf an keinem guten Tag fehlen. Und an miesen Tagen erst recht nicht, weil: Nichts hilft besser, als alle Spannungen rauszutanzen. Also: Do the dance! (Notfall-Mood-Boost-Song zum Abshaken: “Easy Way Out” von Leisure).
Tanzen bedeutet, den Körper, den man hat, zu zelebrieren, ohne Anspruch, ohne Ästhetik. Sich für ein paar Minuten von allem zu befreien. Zeit für etwas schaffen, das einem richtig gut tut. Und vor allem: Sich dabei selbst zu feiern.
Warum Tanzen grossartig ist
Wie Jaqueline Scheiber in einer Insta-Story schrieb: “Ich dachte immer, Tanzen wäre etwas, das für fliessende Bewegungen und normschöne Körper reserviert ist. Dabei ist Tanzen nicht nur für Frauen mit Taktgefühl und knackigen Hintern reserviert.” Und damit hat sie so verdammt recht. Jede_r kann tanzen. Und sollte es auch! Awkward Moves spielen keine Rolle – es zählt nur, dass es sich gut anfühlt.
Es ist mir egal, wie “sexy” ich mich dabei bewege, wie “verführerisch” meine Hüften kreisen, oder ob ich ungeschickt und fern vom Takt umherhüpfe – denn ich spüre keine Blicke mehr auf meiner Haut. Keine Objektifizierung, keine Sexualisierung. Ich tanze wieder nur für mich selbst. Tanzen bedeutet, den Körper, den man hat, zu zelebrieren, ohne Anspruch, ohne Ästhetik. Sich für ein paar Minuten von allem zu befreien. Zeit für etwas schaffen, das einem richtig gut tut. Und vor allem: Sich dabei selbst zu feiern.
Illustration: Alice Skinner