DigitalMusicUltra Violet Issue

Ultra Eclectic

Rahel Fenini

„Kläck pämm uuuh“. So klingt es beim eklektischen Performance-Art-Pop-Duo Eclecta. Eclecta: Das sind die #heroines Marena Whitcher und Andrina Bollinger. Mit etlichen Instrumenten, Toys und ihren Stimmen singen, schreien, rasseln, flüstern und knacksen sich die Künstlerinnen mit viel Energie, Authentizität und Experimentierfreudigkeit durch einen knalligen Stilmix. Im Interview mit fempop sprachen Marena und Andrina über die Macht der Musik, Frauen im Business und künstlerische Freiheit.

2011 wurde eure Band gegründet. Wie kam es dazu? Wie habt ihr euch gefunden?
Im Zirkus Pipistrello, als elfjährige Mädchen. Während des Sommerkurses war Marena Seiltänzerin und Andrina Feuerspuckerin. Wir ergänzten uns schon damals gut und wurden schnell Freundinnen. Zehn Jahre und einige Musik- und Tanzstunden später wurde Marena für ein Konzert als Support-Act angefragt. Da sie zu jener Zeit noch keine 45 Minuten selber füllen konnte, leitete sie die Anfrage an Andrina weiter. Sie hatte zwar ebenfalls zu wenig eigenes Material, dafür aber die grandiose Idee, unsere – sehr unterschiedlichen – Songs zusammenzulegen! Dies legte den Grundbaustein von Eclecta: Das Spiel von Protagonistin und Antagonistin, Verschmelzung und Gegenpolen, Symmetrie und Asymmetrie.

Eclecta von „eklektisch“, d. h. „vielfältig“, „aus verschiedenen Quellen schöpfend“ und „vermischt“. Wie vielfältig ist eure Musik? Weshalb ist euch diese Verquickung von unterschiedlichen Stilen so wichtig?
Wir feiern die Freiheit des Unschubladisierbaren und lassen uns frisch fröhlich von unserer Lust, Leidenschaft und Intuition leiten. Wir beide lieben die Vielfalt und fühlen uns in verschiedenen Musikstilen zuhause und so vermischen wir alles – so gegensätzlich es auch sein mag: Ob nun freakige Trommel-Schrei-Songs oder filigrane a-cappella Volkslieder, wir haben so ziemlich alles im Gepäck. Der rote Faden dabei sind wir zwei Performerinnen sowie das Moment der Überraschung.

Apropos Vielfalt: Die Schweizer Musikbranche wird stark von Männern dominiert. Welche Erfahrungen macht ihr diesbezüglich als weibliches Duo?
Es ist tatsächlich so, dass der Frauenanteil in der Musik sehr gering ist, nicht nur in der Schweiz. Wenn wir an Festivals spielen, sind wir Teil dieser 5-10 Prozent Frauenquote. Das war bereits in unseren musikalischen Anfängen so und zog sich weiter durchs Studium bis heute. Bisher sind wir beide aber keinen geschlechtsspezifischen Herausforderungen begegnet und haben glücklicherweise ausnahmslos gute  Erfahrungen gemacht.

Wie sieht ihr die Zukunft von Frauen in der (Schweizer) Musikbranche?
Für Musikerinnen gibt es tolle Koordinationsstellen im Jazz, Pop und Rock, wie z.B. „HELVETIAROCKT“ oder „Les Belles de Nuits“, die sich für eine signifikante Erhöhung des Frauenanteils und für eine stärkere Präsenz der Musikerinnen auf den Bühnen, in den Medien und allgemein in der Öffentlichkeit engagieren. Wir schätzen und unterstützen die Thematisierung von verschiedenen Seiten diesbezüglich sehr und es ist uns wichtig, dass weiterhin viel darüber gesprochen wird, damit das Ganze noch viel mehr in Bewegung gesetzt werden kann. Letztlich sollte es so selbstverständlich sein, dass man sich gar nicht mehr vorstellen kann, dass es mal anders war! Wir stehen ein für gegenseitige Unterstützung (z.B. durch Kollaborationen oder Austausch von Kontakten) und schauen positiv in die Zukunft.

Eure Musik ist wundervoll: Sie verzaubert und entführt in fremde Sphären.  Musik, die uns von anderen – vielleicht sogar besseren – Welten träumen lässt. Welche Bedeutung und Macht schreibt ihr Musik zu? Auch in Anbetracht von gesellschaftlichen Herausforderungen?
Beim Musizieren werden so viele Hirnregionen gleichzeitig aktiviert, wie sonst bei keiner anderen Tätigkeit, womit sie einen grossen Einfluss auf die Entwicklung des Menschen hat. Musik kann auf eine ganz andere Art berühren und anregen, als es z.B. die Sprache alleine kann. Sie ist ein einzigartiges Ausdrucksmittel politischer, gesellschaftlicher und emotionaler Umstände. Sie hat auch eine enorme Verbindungskraft, sei dies zwischen Mitmusiker_innen, der Band und dem Publikum, oder unter den Zuhörenden, die zusammen an einem Erlebnis teilnehmen.

Wir verbinden Musik und Musikschaffen mit Ideen wie Offenheit und Toleranz, Grenzenlosigkeit, Zusammenhalt, Selbstbestimmung, Befreiung und Spass. Wir finden es wichtig, politische und gesellschaftliche Aktualität in unser Schaffen zu integrieren und uns damit zu beschäftigen, was mit uns, aber auch um uns herum geschieht. Insofern glauben wir an die Macht der Musik als Modell, das aufzeigt was ist, aber auch, was noch sein kann. Musik ist unsere persönliche Sprache, unser persönlicher Ausdruck von Emotion und Authentizität.

Eclecta ist jedoch nicht nur wunderbare Musik, sondern auch Performance. Ihr seid wild, ihr seid schräg, ihr glitzert. Was hat euch dazu bewogen, eure Musik so zu inszenieren?
Es gibt so viele Ausdrucksmöglichkeiten, doch statt uns einschränken zu müssen, nehmen wir uns am liebsten von allem etwas! So leben wir uns nicht nur auf der akustischen, sondern auch auf der visuellen Ebene aus. Die Verbindung von Performance mit Musik geschah sehr intuitiv und ist auch Teil unserer Freude an der Vielseitigkeit, dem Ausprobieren und dem spielerischen Umgang mit der Materie. Zudem sind wir beide auch im Theater tätig, was sicherlich auch einfliesst. Darüber hinaus erzählen unsere Songtexte teilweise sehr spezifische Geschichten, die wir mit Bewegung untermalen. In unserer ironischen Hommage an Dante Alighieris Jenseitsvisionen geht es etwa um ruhmgierige Musikerinnen in der Hölle, die bis in alle Unendlichkeit dieselbe ätzende Fanfarenmelodie singen und immer brav dazu lächeln und marschieren müssen, was wir auch auf der Bühne umsetzen. Somit ist der visuelle Aspekt auf jeden Fall ein wichtiger Teil des Live-Erlebnisses unserer Konzerte. Es gibt permanent extrem viel zu sehen, von „Möchtegern“-Akrobatik, Instrumententausch inmitten eines Songs bis hin zu Marsch-Choreos oder Glitzerbomben, die wir explodieren lassen.