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My Body, My Music

Rahel Fenini

Farid Bang? Jason Derulo? 50 Cent? WHO DAT? Bei uns heisst es: Mic on für die starken, selbstbewussten Musikerinnen, die in ihren Texten und Videoclips das Frausein, die weibliche Sexualität und die eigene (ja, die eigene!) Lust – wortwörtlich – selbst auf den Punkt bringen.

Frauen in der Musik? Ein schwieriges Thema. Über die Repräsentation von Frauen in Videoclips und Lyrics, Musikerinnen auf Festivalbühnen oder DJanes in der Elektroszene liessen sich wohl seitenlange Abhandlungen schreiben. Das Fazit in den meisten dieser Texte würde dann wahrscheinlich so ausfallen: Männer dominieren – egal ob im Line-Up oder in der dargestellten Sex-Szene. Nicht umsonst singt #heroine Jennifer Rostock in ihrem Song „Hengstin“ folgende Lines: „Festival Mainstage alles voller VIPs, Plattenfirma, Chefetage alles voller VIPs Very Important Penises – wo sind die Ladies im Business? Wo man auch nur hintritt, überall n’Schlips.“

Insbesondere in Texten und Videoclips, die Macht, Sexualität und Lust thematisieren, stehen meist die Jungs im Zentrum. Frauen sind zwar vertreten, doch ist ihre Rolle sowie ihre Handlungsmacht oft relativ beschränkt. Nicht selten wird der weibliche Körper als Spielwiese dargestellt, auf der die Männer ihre Potenz voll und ganz zur Schau stellen können. Sexueller Konsens? Weibliche Lust – und Dominanz? Girls, die masturbieren? Diese Bilder und Themen finden bei vielen Musikern (und Musikerinnen) keinen Platz.

Doch auch hier gibt es sie, die starken, selbstbewussten Interpretinnen, die aus der Reihe tanzen, kein Blatt vor den Mund nehmen und mit ihren Lyrics und Clips immer wieder manifestieren: My Body, My Choice! Diese Musikerinnen haben die Kontrolle über ihre Körper und schrecken nicht davor zurück, Frausein, weibliche Sexualität und Lust in den Fokus zu rücken und über ihre eigenen Erfahrungen und Vorlieben zu sprechen.

Dass es für die Gesellschaft – sowie für die Medien – nach wie vor ungewohnt, wenn nicht sogar unangebracht ist, Frauen offen und ehrlich über Sex und ihre Sexualität sprechen zu hören, darüber sang bereits 1991 die amerikanische R&B- und Hip-Hop-Band Salt ’n’ Pepa in ihrem Song „Let’s Talk About Sex“. Zu Beginn des Songs noch etwas unsicher – „Yo, I don’t think we should talk about this. People might misunderstand what we’re trying to say, you know?“ – fordern die Girls später im Text  die „Ladies“ auf, offen und unverblühmt über Sex zu sprechen. Dabei soll vor allem thematisiert werden, wie Sex für Frauen war bzw. ist und wie er für sie sein sollte.

Dies tut Jahre später Beyoncé in ihrem Lied „Blow“. In gekonnter Queen B Manier erzählt sie von ihren sexuellen Fantasien und ihrer Vorliebe für Oralsex. Dabei dreht Beyoncé bewusst den Spiess um, denn oft sind es in Rapsongs Männer, die in den Genuss kommen, oral befriedigt zu werden – ganz à la „She lick me like a lollipop.“

Dass es auch ohne Männer geht und Frauen ebenfalls masturbieren, zeigen Sängerinnen wie Charli XCX. Die britische Singer-Songwriterin, die mit Songs wie „Fancy“ oder „Boom Clap“ berühmt wurde, spricht in ihrem Song „Body of My Own“ über Selbstbefriedigung: „Got the gun in my hand and I’m pointing straight to the target and I’m gonna blow my brakes. Lights out, so high, all alone. I’ve got a body of my own.“ Damit will Charli XCX nicht nur mit einem weiteren Tabu brechen, sondern auch ein feministisches Statement setzen. So sollen Frauen, insbesondere junge Mädchen, die Kontrolle über ihren eigenen Körper haben und genau das damit tun, was sie wollen.

Auf die Spitze treibt es jedoch keine andere wie Peaches. Die Electroclash-Sängerin und Musikproduzentin aus Kanada sensibilisiert und provoziert mit ihren Texten und Videoclips seit gut 17 Jahren. Im Fokus ihrer Musik: das Aufbrechen von Genderstereotypen sowie einengenden Vorstellungen über Sex und Sexualität. 2015 veröffentlichte sie ihr sechstes Album „Rub“, das für Furore sorgte. Der Song „Vaginoplasty“ sowie der dazugehörige Clip springen dabei sofort ins Auge. Das Lied zelebriert ohne Scham die weibliche Sexualität und Körperlichkeit und stellt dabei für einmal die Vagina ins Zentrum. Ja, Peaches befreit das weibliche Geschlechtsorgan regelrecht aus seinem Schattensein und feiert es mit Einhörnern, überdimensionalen Vagina-Kostümen und Synchronschwimmerinnen: „I was blessed with big, big, big lips. Pussy’s big and I’m proud of it.“ In einem Interview mit dem Interview-Magazin erklärt die Künstlerin: „Es gibt so viele Songs, die sich um grosse Ärsche, grosse Titten oder grosse Schwänze drehen. Aber es gibt keinen, der von grossen Muschis handelt.“ Nebst der Zelebrierung der Vagina ist der Song auch ein klares Plädoyer gegen intimchirurgische Eingriffe wie Schamlippenverkleinerungen und Vaginalverengungen. Ein Appell, der in Zeiten, in denen der objektifizierte weibliche Körper immer noch perfekter, reiner und vollkommener ‚aussehen sollte’, wichtiger ist denn je.