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Feministin der Stunde – oder das coolste Mädchen Berlins: Unsere #heroine Suzie Grime

Rahel Fenini

„Was geht ab, Freunde? Mein Name ist Suzie Grime.“ Mit diesem Intro begrüsst Suzie Grime, Modejournalistin, Stylistin und Feministin, ihre Zuschauer_innen auf ihrem YouTube Kanal. Dort finden sich Videos über Sexismus, Hasskommentare im Netz, Body-Modification und Suzies Vorliebe für Mode und Cannabis. Im Interview mit fempop sprach das Grossstadtgör aus Berlin über den weiblichen Körper, dessen Objektifizierung und weshalb eine Brustvergrösserung und Feminismus kein Widerspruch sind.

Stell dich doch einmal unseren Leser_innen vor – wer ist Suzie Grime?
Ich bin ein 26-jähriges Modemädchen aus Berlin, das Rap-Musik, Cannabis und Katzen liebt. Ausserdem bin ich ein wandelndes ADHS-Bündel – sozusagen das kreative Chaos in Person.

Vor zwei Tagen haben wir Silvester gefeiert. Heute feiern wir mit unserer vierten Ausgabe den weiblichen Körper. Was feierst du am weiblichen Körper?
Auch wenn ich meine Regelschmerzen hasse, ist es faszinierend, wozu der weibliche Körper im Stande ist. Ich meine: Fuck – wenn ich wollte, könnte ich einen neuen Menschen produzieren, und ihn nach neun Monaten aus mir herausdrücken. Wie verrückt ist das bitte? Keine Ahnung, wie jemals das Klischee zustande kommen konnte, Frauen wären schwach.

Ein wichtiger Teil dieser Ausgabe ist unter anderem die stetige Objektifizierung des weiblichen Körpers. Welche persönlichen Erfahrungen hast du mit diesem Thema gemacht?
Schon als ich ein Teenager war, haben Männer angefangen, ungefragt meinen Körper zu kommentieren und/oder anzufassen – völlig unabhängig davon, ob Bekannte oder Fremde, Typen in meinem Alter oder wesentlich ältere Männer, ob es gerade Tag oder Nacht ist, ich zurechtgemacht, oder in Gammel-Klamotten unterwegs bin. Dabei rede ich nicht von ernstgemeinten Komplimenten in einem passenden Kontext, sondern von Kommentaren, die in gewissen Situationen völlig daneben und total unangebracht sind. Mir ist erst sehr spät der übergeordnete Zusammenhang klargeworden. Die ganze Objektifizierung wurde nie von mir als Person per se ausgelöst, sondern ist Überbleibsel einer Kultur, die im Kern misogyn war und ist.

Sollten wir 2018 nicht weiter sein? Wieso wird der weibliche Körper heutzutage nach wie vor als Ware gehandhabt?
Meine Vermutung ist, dass die digitale Revolution den Status der Frau als Ware – vor allem bei den jüngeren Generationen – weiter zementiert hat. Auf der einen Seite gibt es da krasses Gender-Marketing in der Werbung, die permanente Beschallung von Online-Medien, die mit Photoshop oder Facetune unrealistische Standards setzen, und dann auch noch Plattformen, wie YouPorn. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie es sein muss, heutzutage als Teenager gross zu werden. Über ihr Smartphone haben Kids – noch bevor sie ihren ersten Kuss hatten – einen 24-Stunden-Zugang zu Pornographie. Leider nutzen den vor allem Jungs, wenn sie wegen ihrer hormonellen Lage körperlichen Druck verspüren. So etwas geht nicht dauerhaft spurlos an einem vorbei.

Was können wir – als junge Generation von Feminist_innen – tun?
Den Status-Quo so lange in Frage stellen, bis kein Mensch mehr diskriminiert wird.

Viele junge Frauen legen sich heute unters Messer, um noch perfekter auszusehen. Body-Modification als Trend. Wie stehst Du dazu?
Body-Modifications gibt es fast so lange, wie den Menschen selbst. Den Gedanken, sich selbst zu optimieren, hatten schon viele Leute vor uns. Trends sind trotzdem immer eine symptomatische Reaktion auf etwas Allgemein-Gesellschaftliches. Wichtig ist deswegen immer zu fragen, warum so etwas zu erkennen ist. Wo ist das eigentliche Problem? Unsere Körper sind es jedenfalls nicht. Da unser Aussehen – abgesehen von unserem Fitness-Level – genetisch gesehen reines Russisch-Roulette ist, finde ich es nicht verwerflich, künstlich etwas daran zu ändern. Das ist im Fall von Menschen, die transgender sind, ja nicht anders. Kosmetische Eingriffe können das Leben zum Positiven verändern, da spreche ich aus eigener Erfahrung. Schwierig finde ich es aber, wenn über Operationen gelogen, oder Fotos zu stark retuschiert werden. Das setzt unrealistische Standards und spiegelt nicht die tatsächliche Vielfältigkeit unserer Körper wieder.

Du achtest selbst sehr auf dein Äusseres, schminkst dich, hast gemachte Brüste, Microblading-Brauen und Fake Nägel. Welchen Meinungen, Stereotypen begegnest du aufgrund deines Aussehens?
Als Feministin, die sich nicht nur gerne schminkt, sondern sich auch die Brüste hat machen lassen, wird mir oft vorgeworfen, dass meine Eitelkeit angeblich im Widerspruch zu meinen Werten steht. Mit den Modifikationen würde ich mich ja dem vorherrschenden Schönheitsideal für Frauen in unserer Gesellschaft unterwerfen. Das ist natürlich total albern, denn ein grundlegender Wert des Feminismus war schon immer: My Body – My Choice. Ende der Diskussion.

Damit stehst du für eine neue, frische Generation von Feminist_innen, die – wie wir von fempop – mit traditionellen Bildern des Feminismus brechen will. Wie definierst Du diese Generation weiter und weshalb brauchen wir diese Art von Feminismus?
Im Grunde ist es doch so: Dass Feminismus mit dem Verbrennen von BHs zutun hat, entspricht schon lange nicht mehr der Realität. Nach mehreren Jahrzehnten Frauenrechtsbewegung, und Meilensteinen wie dem Wahlrecht, werden wir damit gross, dass wir alles erreichen können, was wir wollen. Innerhalb vieler Kulturkreise, sind diese Werte mittlerweile eine Selbstverständlichkeit. Leider führen sie auch dazu, dass starke, tolle Frauen, die eigentlich feministische Grundsätze vertreten, niemals öffentlich diese Bezeichnung für sich beanspruchen würden. Da es noch so viele gläserne Decken, noch so viele nuancierte, misogyne Strukturen gibt, die übrig bleiben, ist es umso wichtiger, dass es junge Frauen gibt, die zeigen: Hey, man muss nichts aufgeben, um sich für das Richtige einzusetzen. Es gibt unterschwellig noch viel zutun – je mehr Leute anpacken, desto besser. Egal, ob in High-Heels oder Burka, ob CEO oder Vollzeit-Mutter. Je vielfältiger die Repräsentation, desto besser. Darum geht es im Feminismus – Inklusivität. Ziel ist, dass niemand mehr in Geschlechterrollen gedrängt wird, und jede und jeder das machen kann, worauf er oder sie Lust hat – egal ob es sich mit dem deckt, was wir als “normal” empfinden. Das gilt für Jungs aber ganz genau so, vielleicht sogar noch mehr. Männer hatten noch keine einzige Emanzipations-Bewegung. Langsam wird es Zeit.

Zu Emanzipation gehört auch ein (selbst)bewusster Umgang mit der eigenen Sexualität und Sex. Wo stehen wir da heutzutage in deinen Augen, und wo besteht noch Aufklärungsbedarf?
Wir animieren Jungs dazu, ihren eigenen Körper zu erkunden, und sich auszuleben – was für Mädchen nicht wirklich gilt. Slut-Shaming ist schon in der Schule alltäglich. So kann sich kein sexuelles Selbstbewusstsein bei Heranwachsenden entwickeln. Viele Frauen kommen wesentlich seltener zum Höhepunkt als ihre männlichen Partner es tun. Ich glaube, dass die hetero-normative Produzenten-Brille, durch die Sexualität in Medien wie Filmen, Pornos und Video-Spielen dargestellt wird, extrem schädlich ist. Ganze Industrien bauen darauf auf, sexuelle Phantasien von jungen, unterwürfigen Frauen zu verkaufen, in denen Gewalt teilweise völlig normal ist. Ausserdem führt der Gebrauch von Online-Dating-Plattformen dazu, dass die Statistiken, zu sexuell übertragbaren Krankheiten, wieder ansteigen. Es braucht definitiv mehr Sexual-Aufklärung – an vielen verschiedenen Stellen.

Photocredit:
Ugly Finn