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Zum Sterben schön – und verdammt?

Rahel Zingg

Wes Anderson zelebriert in The French Dispatch einen Niedergang. Denn, die Kultur-Magazine sind tot. Es leben die Kultur-Magazine.

Er spielt in einem fiktiven französischen Städtchen, ist der Situation hierzulande aber gar nicht so unähnlich: Ein aktueller Kinofilm feiert den Niedergang der Edelfedern in gewohnter Wes-Anderson-Manier. In The French Dispatch stirbt der Chefredakteur einer französischen Kulturbeilage in ausladender Schönheit. Nostalgisch betrachten wir einen Verlust – und denken an andere solche Schreibende, die den Schreibtisch räumen mussten.

Auch in der Schweiz beklagen wir einen Rückgang von opulenten und trägen (weil schwer beladenen) Kultur-Magazinen. Lebt wohl ihr Königinnen des Lifestyles, ihr gedruckten Erzeugnisse. Auf Wiedersehen und hallo, ihr Neuen? Aber noch einmal von Anfang an:

Üppig im Abgang.

The French Dispatch beginnt. In Ennui-sur-Blasé (heisst auf Deutsch: Langeweile über Gleichgültigkeit) hat Arthur Howitzer Jr. (Bill Murray) ein Auslandsbüro der Zeitung Liberty, Kansas Evening Sun gegründet. Dort wird die Beilage produziert und gedruckt, in der die Autorinnen und Autoren ihre Sicht auf Kunst, Kultur, Politik und Gesellschaft beschreiben. Howitzer stirbt. In seinem Testament verfügt er, den Titel einzustellen. Die trauernden Angestellten erinnern sich an ihn und ihre Geschichten mit ihm in Rückblicken.

Alles symmetrisch – wie gewohnt für eine Wes-Anderson-Produktion. Manchmal in Farbe. Manchmal Schwarz-Weiss. Manchmal als Comic. Tilda Swinton erscheint als affektierte Kunstexpertin, die über einen Maler (Benicio Del Toro) im Gefängnis berichtet. Hinter Gittern posiert dessen Wärterin (Léa Seydoux) für ihn als Aktmodell. Im Politikteil schreibt Lucinda Krementz (Frances McDormand) über eine Studentenrevolte und deren Anführer Zeffirelli (Timothée Chalamet).

Eine nostalgische Depesche. Ein kunstvoll gestalteter Nachruf. Nicht nur zum Tod der Hauptfigur, sondern auch auf den Magazinjournalismus an sich, eine grosse persönliche Leidenschaft, zu der sich Wes Anderson hier bekennt.

Ja klar, sie sind noch da. Aber gut geht es den Magazinen nicht. Die Tage, in denen Journalist*innen in der Business-Class zum nächsten Fünf-Sterne-Ressort geflogen wurden, sind gezählt. Die Party ist vorbei. Die Stühle werden hochgestellt.

Keine Zeit zum Sterben. No time to die.

2021. Die CH-Media stellt die Textilrevue ein. Rückläufiger Werbemarkt. Ein Todesurteil.

2020. Ringier Axel Springer stellt die Style ein. Es war 15. 23 Mitarbeiter*innen erhalten die Kündigung. Das Bolero funktioniert weiter als Beilage.

2019. Das Ende von Friday. Die Tamedia glaubt auch nicht mehr an die Annabelle. Verkauft sie.

Oberflächlich, beliebig, arrogant und überflüssig – die hochglänzende, opulente, bunte Bande ist bei klassischen Medien unbeliebt. In Verruf geraten weil alle zum Design-Papst hochgejazzt wurden, jede zur Stilikone, alle Ideen zum Kult. Klein ging es nicht.

Ist das alles darum zum Aussterben verdammt? Ist Lifestyle tot? Und damit der Glamour, der Rausch, der Leichtsinn? Keine Bange, die kehren nach ein paar Trümmerjahren schon zurück. Leben und Stil werden wieder miteinander versöhnt. Von Schwarzbrot allein lebt es sich schliesslich nicht.

Andere stehen schon in den Startlöchern. Das Frida Kultur-Magazin zum Beispiel. Es soll, nach hoffentlich erfolgreichem Crowdfunding, erstmals im März 2022 erscheinen, auch über subkulturelles berichten, nicht nur über die grossen Kulturhäuser. Alles online. Und unabhängig vom Werbemarkt.

Wenn also wieder andere Zeiten kommen, mit anderen Zeitschriften und Ideen (ob Online oder Print oder als Beilage, ob Hochglanz oder Matt) und wenn aus diesem rasenden Stillstand, wie man ihn auch bei The French Dispatch mitverfolgen kann, Neues entsteht –, dann wird der Freude kein Ende sein. Fin.

Photocredits: IndieWire