CultureLifestyleQueens' Issue

“Frauen wollen, dass ihr Geld etwas bewirkt”

Cécile Moser

Mit ihrem Finanz Toolkit “SmartPurse” beratet Olga Miler Frauen in Investment- und Geldfragen. Wir sprechen mit ihr über das unterschiedliche Geld-Verhalten von Frauen und Männern, warum diese Unterschiede bereits in der frühen Kindheit gründen und weshalb man Geld mit Leben füllen muss.

Was genau ist SmartPurse und was bietet ihr an?
SmartPurse ist eine unabhängige Coaching- und Lernplattform, die Frauen dabei unterstützt, mehr aus ihrem Geld zu machen. Wir bieten eine digitale Geldschule, ein Angebot an Gruppenkursen und Events zu Themen wie Vorsorge, Geldanlage, Nachhaltigkeit und Verhandlungsführung sowie ein Netzwerk an Expert*innen, welche die spezifischen finanziellen Herausforderungen von Frauen aus erster Hand kennen und bei Bedarf weiterhelfen können.

Wie seid ihr auf die Idee gekommen, SmartPurse zu gründen?
Bei meiner Arbeit bei der UBS habe ich festgestellt, dass viele Frauen die gleichen Fragen haben wie ich selber und es keinen Ort gibt, wo “frau” sich zu solchen Themen austauschen kann. Zudem habe ich gemerkt, dass es sehr schwer oder schier unmöglich ist, wirklich unabhängige Inhalte zu Finanzen von einer Bank aus zu kommunizieren. Jude Kelly in England ging es ähnlich, und so haben wir einen solchen Begegnungs- und Lernort geschaffen und damit SmartPurse gegründet.

Im Vereinigten Königreich habt ihr bereits vor einiger Zeit gelaunched. Wie seid ihr dort gestartet?
Ein bisschen anders als in der Schweiz, mit einer Menge Fokusrunden und Diskussionen mit Frauen ganz verschiedener Herkunft und Alter. Wir wollten unbedingt wissen, wie Frauen sich mit dem Thema Geld beschäftigen, und was uns allen am meisten helfen würde. So haben wir dann Fragen von über 500 Frauen gesammelt und diese in einer ersten Version der Digital Money School von SmartPurse beantwortet. Dann haben wir Kurse und Events hinzugenommen. In der Schweiz war es genau umgekehrt, hier hatten wir zuerst Events und Kurse, und jetzt eben auch die digitale Geldschule. Die hat über 150 Seiten; das ging ein bisschen bis wir alles angepasst und übersetzt hatten.

Warum braucht es ein Finanzberatungs-Tool speziell für Frauen?
Unser Leben und damit unsere Finanzen schaffen andere Herausforderungen, die andere Lösungen benötigen. Verhandlungsführung, Teilzeitarbeit, Auszeit, Scheidung etc. führen dazu, dass Frauen anders vorsorgen und anlegen müssen. Zudem fällt es uns einfacher, mit anderen Frauen über diese Lebensereignisse zu sprechen und uns auszutauschen. Geld ist etwas sehr Persönliches. Ich glaube das ist so, wie wenn Männer zusammen zum Bier gehen. Da ist doch die Unterhaltung auch ganz anders, als wenn eine Frau dabei ist. Mit Gleichberechtigung oder damit, dass Frauen nicht gut mit Finanzen wären, hat das gar nichts zu tun, sondern nur damit, dass man ähnliche Lebenssituationen teilt. Ein Mann, der Teilzeit arbeitet, würde von solcher Finanzbildung genauso profitieren. Nur gibt es davon halt viel weniger als Frauen.

Du hast lange Zeit bei der UBS gearbeitet und das Frauenförderungsprogramm “Unique” aufgebaut. Welche Erfahrung hast du dort gesammelt und worum ging es bei dem Programm genau?
Ich habe in der UBS sehr viel über Menschen und Geld gelernt. Beim Frauenförderungsprogramm ging es darum, Strukturen und Prozesse zu schaffen, so dass weibliche Kundinnen sich in der Bank genauso wohl und gut aufgehoben fühlen wie Männer.

Was rätst du Frauen in Bezug auf ihr Geld? Welche Tipps & Tricks gibt es zu beachten?
Verhandelt euren Lohn mit Fakten! Sorgt so früh wie möglich vor! Habt keine Angst davor zu investieren, und geniesst! Geld ist dazu da, uns Freiräume zu schaffen, Erlebnisse zu ermöglichen und Wünsche zu erfüllen – es muss mit Leben gefüllt werden, sonst ist es nur eine leere Zahl!

Und was ist deine persönliche Geldgeschichte?
Meine Mom ist Unternehmerin und ein Vorbild. Mein Dad ist früh an einem Sekundentod gestorben. Danach gab es viel zu tun und so arbeite ich, seit ich 13 bin. Mein erstes StartUp hatte ich mit 17. Mein Bezug zu Geld hat sich verändert, als ich Mutter wurde. Plötzlich stand Sicherheit mehr im Vordergrund. Heute sind die Kinder grösser und ich kann wieder mehr Risiko eingehen.

Investieren Frauen denn anders als Männer und wenn ja, wie?
Was die Studien sagen, sind natürlich viele Generalismen.

In meiner Erfahrung investieren Frauen mit Risikobewusstsein, mit viel Disziplin und langfristig. Sie wollen, dass ihr Geld nicht nur wächst, sondern auch etwas bewirkt.

Wir Frauen investieren viel weniger oft in Sachen, die wir nicht verstehen – was bei dem ganzen Finanzdschungel nicht immer so einfach ist. Das ist auch die grösste Herausforderung für viele; nicht die Theorie, sondern sich im unermesslichen Angebot zurechtzufinden.

Mikrokredite werden häufiger und lieber an Frauen vergeben, weil diese – so heisst es – besser mit Geld umgehen können. Ist dem wirklich so und hast du Erfahrung damit?
Studien zeigen, dass Frauen Mikrokredite sehr effizient für sich und die Gemeinschaft einsetzen und diese sehr zuverlässig zurückzahlen.

Gender-Unterschiede in Geldfragen beginnen bereits früh, etwa bekommen Mädchen weniger Taschengeld als Jungen. Was kann man aktiv gegen dagegen tun und brauchen wir eine andere Gelderziehung?
Unsere Beziehung zu Geld wird schon im Alter von 5-7 Jahren geprägt, und viele der Werte, wie wir mit Geld umzugehen haben, erlangen wir durch gesellschaftliche Normen und Erziehung. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir die Finanzverantwortung von Kindern sehr früh stärken, unabhängig davon welches Geschlecht sie haben. Wichtig wäre Finanzbildung in der Schule und vor dem Berufseinstieg – genauso wie wir digitale Kompetenzen bei Kindern fördern oder Latein unterrichten. Als Eltern sollten wir die Eigenverantwortung und den Mut unserer Kinder fördern, etwas auszuprobieren – mein Sohn investiert schon mit 13 in Bitcoin mit kleinen Beträgen – und Fehler zulassen, damit sie daraus lernen. Und natürlich ist es wichtig, auch die andere Seite von Geld zu vermitteln: Dass Geld ein Mittel ist, um in der Welt Menschen zu helfen, Innovation vorwärts zu bringen und es nicht nur darum geht, es zu maximieren.

Apropos Gender-Gap: Altersarmut bei Frauen in der Schweiz ist ein grosses Thema. Was können wir dagegen tun?
Aufklärung zu Themen wie Vorsorge schaffen und was man dafür tun muss, und jede Menge junge Frauen und Männer dazu motivieren, früh anzufangen. Wir müssen zudem Wege und Systeme schaffen, die es Menschen ermöglichen auch nach 50 noch einen Job zu finden und die Erfahrung von reifen Menschen nutzen. Nur weil du 65 bist, heisst das noch lange nicht, dass “frau” nicht arbeiten kann oder will. Auch unternehmerische Strukturen, die Familie und Beruf vereinbar machen, sind gefragt. Und natürlich muss endlich die Heirats-Steuerstrafe endlich abgeschafft werden!

Welchen Einfluss hat Corona auf die “weiblichen” Finanzen in der Schweiz?
Ich glaube, Corona hat in der Schweiz den gleichen Einfluss wie anderswo auch: Stellen, welche vor allem von Frauen besetzt waren, gehen verloren, da Industrien betroffen sind, in welchen viele Frauen arbeiten. Kleinstunternehmen leiden sehr, da sie weniger Reserven haben. Ganz allgemein sind Frauen einer grösseren Belastung mit Kindern und den sich ständig ändernden Bedingungen ausgesetzt. Das trifft selbstverständlich auch auf Männer zu, nur kann ich aus eigener Erfahrung sagen, dass ich mich seit Monaten sowohl geschäftlich als auch privat in einer Art “Dauerflexibilitätsplanung” befinde – sei es familiär oder beruflich. Das kostet sehr viel Zeit, die so nicht für Innovation und Weiterbildung, z.B. im digitalen Bereich, eingesetzt werden kann.

Geld ist noch immer ein grosses Tabuthema, gerade in der Schweiz. Reden Frauen weniger offen über Geld als Männer?
Ich stelle das gar nicht fest. Im Gegenteil, ich denke, dass Geld und das Reden über Geld immer alltäglicher werden. Frauen sprechen sehr offen darüber, wenn sie in einem Rahmen sind, wo Fragen möglich sind, eine konstruktive Diskussion stattfindet und man keine Angst haben muss als dumm oder inkompetent abgestempelt zu werden, nur weil man irgendeine Abkürzung nicht kennt oder versteht.

2021 ist ein wichtiges Jahr für die Schweizer Frauen, deshalb widmen wir diese Ausgabe auch den Queens von heute und morgen – so wie du. Was bedeutet für dich female Empowerment im Alltag und deinem Leben?
Dass mein Mann jeden Tag kocht und es keine Schwäche ist, dass ich das überhaupt nicht kann. Dass es für meine Kinder ok ist, wenn ihre Mutter arbeitet und sie deswegen nicht ausgelacht oder komisch angeschaut werden, sondern stolz sind und wir zusammen neue Ideen entwickeln können. Dass mir Menschen auf Augenhöhe begegnen und ein ernstgemeinter Austausch stattfindet, in dem Meinungen zählen, und nicht mein Geschlecht. Im Verwaltungsrat, in dem ich mitarbeiten darf, funktioniert das wunderbar, obwohl wir nur 2 Frauen sind – wir sind uns nie als Token-Women vorgekommen. Und dass es total okay ist, eine Frau zu sein mit Pink und Spass und allem drum und dran.

Dass wir abstimmen dürfen, unseren Beruf selbst wählen können und über unser eigenes Geld verfügen, ist für viele von uns eine Selbstverständlichkeit. Das haben wir den Frauen zu verdanken, die sich vor uns für all dies eingesetzt haben – Danke!

Und was wünscht du dir für die Frauen in der Schweiz in den nächsten 50 Jahren?
Dass wir keine 50 Jahre mehr brauchen, um Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu erreichen, ein Umfeld schaffen, in dem ganz verschiedene Lebensmodelle möglich sind, ohne dass “frau” sich vor Altersarmut fürchten muss. Und dass wir einen Zustand erreichen, in dem es einfach nicht mehr wichtig ist, was für ein Geschlecht man hat, sondern einzig und allein das zählt, wofür man als Mensch einsteht. WE/MEN sagt das so wunderbar: Better together!

Viele weitere Informationen zu SmartPurse – und damit Olga Miller – findet ihr unter www.smartpurse.me!