ArtCultureQueens' Issue

Im Kollektiv für Empowerment und gegen Gewalt

Stefanie Bracher

Vor drei Jahren ist Devika mit Mann und Kindern von der Schweiz in ihr Geburtsland Sri Lanka gezogen. Hört sich an wie die ersten Minuten einer Auf und davon”-Folge auf SRF. Aber Devika und ihre Familie suchten nicht ausschliesslich das Glück in der Ferne. Sie sind einer Idee gefolgt, die in der Schweiz geplant und im Ausland realisiert wurde. Devika ist Mitbegründerin einer Stiftung, die Frauen in Not Schutz in einem Frauenhaus gibt. Mit viel Herzblut wird die Stiftung in Matara an der Südküste Sri Lankas vorangetrieben. Aus verschiedenen Zeitzonen unterhalten wir uns über ihre Lauryn Hill, Landkauf und Curry sowie ihre herzliche Rastlosigkeit, damit sich die Lebensbedingungen der betroffenen Frauen wieder bessern.

Dieses Jahr “feiern” wir hierzulande das 50-Jahr-Jubiläum des Frauenstimm- und Wahlrechts. Damals aber auch heute gibt es viele Frauen, die sich für mehr Gleichstellung einsetzen und alles dafür tun, dass Frauen frei und unabhängig ihr Leben gestalten können. Welche Frauenbilder haben dich als kleines Mädchen oder Teenager besonders geprägt?
Ich erinnere mich, wie Lauryn Hill im Film “Sister Act 2” auf der Bühne den Song “Joyful” performte und dabei das ganze Publikum verzauberte, obwohl zuerst alle an ihr zweifelten – wie auch ihre Mutter. Und dann verzauberte sie weiter während ihrer ganzen Karriere als Sängerin, Solo-Künstlerin und Frontfrau bei den Fugees. Ohne sie hätten die Bandkollegen sowieso einpacken können (lacht). Und ja, ihre Art faszinierte und prägte mich. Als kleines Mädchen ging ich auf eine Schule mit hauptsächlich weissen Schweizer Kindern. Lauryn zu sehen hatte auf mich eine Signalwirkung. Eine dunkelhäutige Frau, die etwas bewegt ohne dabei sexistischen Klischees zu entsprechen wie nackte Haut zu zeigen oder ausschliesslich dem europäischen Schönheitsideal folgen zu müssen. Sie brillierte durch ihr Talent als Musikerin. Eine weitere Frau, die mich wegen ihres Charakters begeisterte, war Mutter Theresa. Ich bin adoptiert und schon als kleines Kind war ich in Kontakt mit Kinderheimen und habe auf Reisen mit meinen Eltern einige besucht. Mutter Theresa beeinflusste viele Menschen in den 80er, 90er durch ihr unermüdliches Handeln und ihr Interesse Gutes zu tun. Sie gab dieser Art von Engagement ein kommerzielles Gesicht. Sie prägte mich – ganz unabhängig davon welcher Religion sie angehörte.

Die Frauen, die Schutz im Haus suchen, haben unter anderem häusliche Gewalt, Vergewaltigung, Diskriminierung und Ausstoss aus der Familie erfahren. Du hörst viele traurige Geschichten und bist Zeugin vieler erschütternder Schicksale. Wo beobachtest du bei den Frauen eine Quelle der Zuversicht?
Jede Frau hat ihre eigene Geschichte, einige Frauen haben ein Trauma durchlebt. Somit ist die Genesung extrem abhängig vom mentalen Zustand der betroffenen Person. Im Grossen und Ganzen kann ich sehen, dass die Kinder wie ein Silberstreifen am Horizont sind. Ihren Kindern soll nicht das Gleiche widerfahren. Diese Grundlage gibt den Frauen Willenskraft und Optimismus, um weitermachen zu können. Hier in Sri Lanka leben die Menschen eher in einer Kollektivgesellschaft und Kinder formen dabei ein wichtiges Bindeglied. Aber auch die Frauen als Kollektiv untereinander bestärken sich. Passieren Erfolgserlebnisse mit anderen Frauen im Haus, verbindet das und sie können Zuversicht schöpfen.

Eine Stiftung voranzutreiben braucht extrem viel Energie. Wie verbringst du deine Pausen und wie füllst du deine eigenen körperlichen und emotionalen Batterien wieder auf?
Und ja, das ist eben so ein Thema… Ich mache zu wenig Pausen. Nein, wenn ich ehrlich bin, mache ich gar keine Pausen (lacht). Irgendwie habe ich von Natur aus viel Adrenalin und meine Energiereserven werden dadurch mobilisiert. Ausserdem brauche ich wenig Schlaf und wenig Erholung. Und viel Zeit gäbe es dafür auch nicht. Ich verzichte auf Dinge wie lange Spielabende mit der Familie oder Yoga und Besuche im Fitness. Ich habe schon lange kein Buch mehr angefasst oder eine Serie geschaut, zuhause gibt es keinen TV und wir haben kein Netflix. Ich muss Abstriche machen. Die Zeit mit meiner Familie priorisiere ich sowie meine Ernährung. Ich esse sehr ausgewogen, damit ich funktionieren kann und Energie habe. Wenn die Mädchen schlafen, widme ich mich diversen Projekten als Grafikerin. So kommt momentan etwas in die Familienkasse. Sehe ich, dass meine investierte Zeit anderen Menschen mehrfach zu Nutzen kommt, dann gibt mir das einen Energieschub.

Wir haben das Jetzt und nutzen es: Wir sind jung, dynamisch und wollen unsere Ideen verwirklichen.

Devikas Projekte als Grafikerin findet ihr unter www.curryproduction.ch!

Momentan habt ihr ein funktionierendes Frauenhaus und eine öffentliche Anlaufstelle für Frauen und Mädchen. Wie sieht das Angebot im Schutzhaus und in der Anlaufstelle aus? Und gibt es noch anderen Projekte, die in Planung sind?
Momentan ist unsere wichtigste Priorität ein Stück Land zu kaufen, damit wir ein eigenes Schutzhaus bauen können und nicht von einem Mietvertrag abhängig sind, der uns jederzeit gekündigt werden kann. Wir wollen Stabilität für dieses Projekt und die Bewohnerinnen sichern. Und genau, aktuell haben wir neben dem gemieteten Haus auch eine Anlaufstelle für Frauen und Kinder. Dort gibt es kostenfreie Rechtsberatung für Frauen, die sexuelle oder körperliche Gewalt erfahren haben oder deren Kinder entführt worden sind. Wir bieten auch medizinische Hilfe und psychologische Begleitung an. In staatlichen Spitälern gibt es zum Beispiel nach einer Geburt kaum Begleitung für Mutter und Kind, wenn es etwa darum geht, die blutigen Laken zu wechseln und zu waschen.

SAMBOL FOUNDATION – Supporting Women & Children in Need

Weiter bieten wir den Bewohnerinnen Möglichkeiten zur Handarbeit, zu kreativen Beschäftigungen sowie zur Gartenarbeit an. Wir haben eine riesige Grünfläche mit Pflanzen, Gemüsen und Früchten, und die Frauen sind mitverantwortlich für den Unterhalt. Der Kontakt zur Natur ist eine Sache, zusätzlich wollen wir auch die Nähe zum eigenen Körper durch Yoga fördern. Vielen Frauen fehlt der Bezug zu ihrem Körper; sie sind sich nicht bewusst, dass man ihm auch etwas Gutes tun kann und dass er nicht nur als Arbeitsinstrument oder zum Gebären dient. Ein erster Schritt zu einem guten Körperbewusstsein entsteht durch ein simples Hinstehen und einfach mal die Zehen spreizen.

Es gibt auch externe Aktivitäten wie die Zusammenarbeit mit einem Label, welches Stoffe mit organischem Abfall – wie Avocadokerne, Zwiebel-, und Kokosnussschalen – natürlich färbt und dann zu Taschen, Haarbändern oder Kleidern weiterverarbeitet. Oder die Produktion von handgewobenen Tüchern an einem Webstuhl durch eine Frau im Osten von Sri Lanka, die unter fairen Bedingungen diese Tücher webt.

Handgewobene Tücher, die ein Lächeln aufs Gesicht zaubern – WE LOVE <3

Jede Beschäftigung verfolgt das Ziel, eigene und nachhaltige Einkommensmöglichkeiten für die Frauen zu schaffen.

Auch organisierten wir letztes Jahr den ersten Frauenmarsch. Es war gar nicht so einfach die Genehmigung durch die lokalen Behörden zu erhalten.

All Violet Everything – 2020 wurde der erste Frauenmarsch organisiert

Die Stiftung trägt Sambol” im Namen, was ein Beilagengericht für ein Curry ist, welches dem Gericht Farbe verleiht und es geschmacklich unterstreicht. Dies soll im übertragenen Sinn auch für die Stiftung gelten. Was ist – in deinen Augen – das Wunderrezept für eine gleichgestellte Gesellschaft?
Das ist eine schwierige Frage (überlegt). In Bezug auf Sri Lanka kann ich direkt sagen, dass die Machtverhältnisse und das Patriarchat das Land zerstören. Wichtige Zutaten für eine grundlegende Veränderung wären in meinen Augen Erziehung und Bildung, spezifisch die von den Jungs. Sie sollten von kleinauf lernen, Frauen mit Würde und Respekt zu behandeln. Auch Aufklärung in der Sexualität wäre wichtig – Was sind Übergriffe? Was kann Liebe bedeuten?

Die kommenden Generationen werden spürbare Veränderungen mit sich bringen.

Das werden wir wohl nicht mehr miterleben. Unsere Arbeit erscheint vielleicht manchmal wie ein Tropfen auf den heissen Stein, aber sich einzureden, dass ein wenig Dampf gar nichts bringt, wäre ein zu bequemes Denkmuster aus Sicht unseres Privilegs.

Weitere Informationen zu Devikas Arbeit findet ihr unter www.sambolfoundation.org und auf dem Insta-Account Sambol Foundation! Auf diesem Weg könnt ihr die Foundation auch mit einer Spende unterstützen – do good, be good <3