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Wie man einen Liebestrank braut

Rahel Zingg

Freitags und aus ein paar einfachen Zutaten lässt sich Liebe zusammenbrauen. Ausserdem shoppen wir alles nötige, was wir für die Selbstliebe brauchen, derweil drüben bei Goop oder diversen anderen Self-Care-Shops. Und dann/wann sind wir endlich vollkommen?

1.1 Liebe
Freitags. An diesem Wochentag soll man ihn zusammenbrauen, sagt Suhaly Bautista-Carolina. Eine Herbalistin. Eine Kräuterexpertin. Der Freitag war bei den Römern der Tag der Liebesgöttin Venus. Fest verknüpft mit dem romantischen Gefühl.

Darum sollen Tränke, die das Herz betreffen, freitags gemixt werden. Ein Liebestrank soll keine Trickserei sein. Er helfe vielmehr bei der Selbsterkenntnis. Denn bevor man lieben kann, muss man erst die Selbstliebe aktivieren. Dazu der Trank, dessen Rezept sie uns verrät. Einfach nachzumachen, für daheim. Praktisch, nützlich und mit etwas Magie.

Drei Pflanzen verwendet Bautista-Carolina meistens, wenn es ums Herz geht. Rose. Veilchen. Weissdorn. Insbesondere getrocknete Rosenknospen empfiehlt sie (1/3). Dazu Honig (2/3). Wenn die beiden Zutaten vermischt sind, solle man seine Wünsche laut aussprechen – die Energie fliesst in die Mische. Die wird danach gelagert. An einem möglichst kühlen, dunklen Platz. Für etwa sechs Wochen. Täglich schütteln. Und anschliessend die Honig-Rosenknospen zusammen mit dem morgendlichen Tee geniessen – zum Beispiel. Auch wenn man nicht an Magie glaubt, trotzdem süss.

1.2 Selbstliebe
Nicht nur Bautista-Carolina möchte uns mit ihrem Produkt dabei helfen, uns selbst zu lieben. Gwyneth Paltrow mit ihrem hochprofitablen Goop ist eine nicht mehr aus der Selfcare-Branche wegzudenkende Grösse. Bei ihr gibt es Wellnessprodukte für ein bewussteres Leben. Und damit auch immer eine ganze Menge Hoffnung.

Das subtile Gefühl, besser werden zu wollen, und sei es nur, endlich mehr Wasser zu trinken, befindet sich jetzt in Reichweite. Es wird von kleinen und grossen Naturkosmetik-Online-Shops in Beutelchen verpackt und verschickt. Die Produkte tragen oft ein stolzes Preisschild. Aber wie viel seid ihr euch wert? Endlich zu unserem Most-Amazing-Self zu werden, hat nun mal seinen Preis. Gemäss dem Global Wellness Summit ist die Nachfrage nach Home-Wellness-Produkten (Air-Purifier, Kristalle, Heilkräuter) stark angestiegen. Wir waren ja auch viel mehr daheim. Wir hatten viel mehr Zeit, uns von dort aus zu optimieren. Der Self-Care-Hype würde 2021 jedoch noch einmal zu neuen Höhen erklimmen. Auch 2021 wollen wir weiter an uns arbeiten. Wir wollen noch besser werden.

1.1 + 1.2 = Vollkommenheit?
Besser werden zu wollen suggeriert, dass man davon ausgeht, noch nicht genug zu sein. Das ist erstmal kein schlechtes Zeichen. Problematisch wird es erst, wenn das Gefühl nicht in dem Streben nach Wachstum resultiert, sondern in Druck und Unsicherheit. Bei den Produkten, die sich auf Letzteres spezialisiert haben und Linderung versprechen, geht es aber um mehr als nur unsere Gefühle.

Wenn man sich jeden Morgen Rosenblätter in den Tee mischt, die einen dran erinnern, warum man die in Honig eingelegt hat… nämlich, weil man öfter mal nett zu sich selber sein, sich selbst mehr mögen sollte – Was schadet das schon? Wenn man gerne mit einer mehrteiligen Skincare-Routine inklusive Gua Sha in den Tag startet – warum nicht? “Ich hoffe, also creme ich?” Wenn es sich gut anfühlt, fühlt es sich gut an. Die Formel für Vollkommenheit wird trotzdem nicht auf der Liste der Inhaltsstoffe zu finden sein.

Sich das bewusst zu machen, kann ein erster Schritt sein. Zu realisieren, dass uns viel weniger fehlt als uns der Wellness-Hype mit seinem Anspruch auf Ganzheitlichkeit vermittelt, ebenfalls. Denn zu wissen, dass man genug ist und bewusst zu entscheiden, etwas für sich selbst zu tun, ist ein grossartiges Gefühl – und noch dazu eine Form von Wellinism, mit der man sich anfreunden kann.

Photocredit: Unsplash