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Salon Vert – Discours Powerful

Rahel Fenini

Claude Bühler

Mit ihrem Projekt discours féministes (et powerful!) machte Claude Bühler St.Gallen diesen Sommer zum künstlerischen place to be. Künstler*innen aus der ganzen Schweiz trafen sich mit der #heroine im Frauenpavillon im Stadtpark, um gemeinsam Musik zu machen und im intimen Rahmen Erfahrungen auszutauschen. Im Interview mit fempop spricht Claude über ihr Herzenzsprojekt, ihr Leben als DJ La Luna* und Musik, die gut tut.

Für unsere Leser*innen, die dich nicht kennen: Wer bist du, Claude, und was macht dich aus?
Ich pendle als Künstlerin, Kuratorin und kulturelle Aktivistin zwischen Horn TG und Baden AG, wobei sich mein Sound- und Fotografie-Atelier in Teufen AR befindet. An der Ostkreuzschule in Berlin habe ich Fotografie studiert; mein Studium habe ich mit einer Arbeit über die Rüstungsindustrie Deutschlands und der Schweiz abgeschlossen. Seither setze ich mich vermehrt auch mit Hilfe der experimentellen Klangproduktion mit gesellschaftskritischen und feministischen Themenbereichen auseinander. Seit 2019 gestalte ich gemeinsam mit anderen Künstler*innen den salon vert als Ort für DIY-Musikproduktion.

DIY-Musikproduktion – das klingt spannend! Was steckt noch hinter dem salon vert?
Der salon vert entstand 2019 aus meinem Bedürfnis, mehr über das Produzieren und Machen von Musik zu lernen. Also richtete ich in meinem Atelier in Teufen ein DIY-Musikstudio mit vielen elektronischen Instrumenten, einfacher Recording-Technik und einer ordentlichen Soundanlage ein; – es gibt zum Glück keine Nachbar*innen. So hatte ich einen Grund, Musiker*innen und andere Interessierte* einzuladen und einen Ort, wo wir uns musikalisch austauschen und experimentieren konnten. Daraus ist inzwischen ein kleines Netzwerk mit spannenden Künstler*innen entstanden, die sich gegenseitig unterstützen, für Gigs buchen und voneinander lernen.

Feminismus, Musik und Austausch

Diesen Sommer warst du mit dem salon vert-Projekt discours féministes im Frauenpavillon im Stadtpark St.Gallen zu Gast. Was war Inhalt dieses Projektes?
Mir ging es mit dem salon vert-Sommerprojekt discours féministes darum, sich einen Monat lang auf das Musik machen, das Experimentieren und spontane Reagieren auf unterschiedliche musikalische Konstellationen zu konzentrieren. Aber auch Raum für Gespräche und Austausch zu schaffen. Denn viele FLINT*-Personen (Frauen, Lesben, Intersexuelle Personen, Non-binäre Personen, Transsexuelle Personen) machen ähnliche Diskriminierungserfahrungen ­– sei es im privaten Umfeld oder in jenem der Kunst- und Musikindustrie. Der Austausch über diese Erfahrungen soll helfen, sich davon nicht entmutigen zu lassen, sondern im Gegenteil weiterhin an seinen Ideen und Träumen festzuhalten und sich ein nachhaltiges Selbstvertrauen aufzubauen. So entstanden in den letzten Wochen viele neue Projektideen und Anfänge für Kooperationen, die auch nach dem Sommerprojekt hoffentlich weiter ausgebaut werden.

Das klingt nach richtig viel em-power-ment. Was bedeutet dieser Begriff für dich ganz persönlich?
Der Austausch im Gespräch und in Form von musikalischer Zusammenarbeit mit anderen Künstler*innen und Musiker*innen ist für mich sehr wichtig. Damit einher geht für mich ein gegenseitiger Support und emotionale Rückendeckung, sei es beim Bestehen in der hiesigen männerdominierten Musikindustrie oder bei privaten Rückschlägen, aber auch das gemeinsame Feiern von Erfolgen ist wichtig! Denn gemeinsam weiterkommen ist viel einfacher und schöner als immer so allein für sich im Kämmerchen zu hocken.

Im dunkeln Kämmerchen warst du auch ganz bestimmt nicht diesen Sommer. Das Projekt discours féministes hast du wie gesagt im Frauenpavillon im Stadtpark St.Gallen durchgeführt. Was hat dich dazu bewogen, diesen Ort als Mittelpunkt deines künstlerischen Schaffens zu wählen?
Im Frühling, kurz vor Beginn des Lockdowns, kam die Anfrage des Betreibervereins, ob ich den Frauenpavillon als Sommeratelier nutzen möchte; – sie vergeben den Pavillon jedes Jahr an eine andere Künstlerin* bzw. an einen anderen Künstler*. Ich sagte sofort zu und begann mit der Planung des Projekts für den salon vert. Der Stadtpark ist insofern super passend, weil er in St.Gallen sehr zentral gelegen ist, dort jedoch trotzdem eine eher ruhige und familiäre Stimmung herrscht. Es ist einfach viel schöner, wenn mensch* nicht im dunklen Bunker zwei Etagen unter der Erdoberfläche hockt, sondern mitten im Park zwischen Bäumen und Rosensträuchern sich musikalisch austoben darf.

salon vert – discours féministes

Welche wertvolle Erfahrung und/oder Erkenntnis nimmst du aus dem Projekt mit?
Miteinander über Erfahrungen und Bedürfnisse reden, reden und reden, egal welches Geschlecht. Raum einfordern, wo keiner ist. Und wenn das nicht klappt; Banden bilden und eigene Räume schaffen!

Neben deinem Engagement für und im salon vert bist du auch als DJ La Luna* unterwegs und spielst jeden dritten Dienstag im Monat auf Kanal K queerfeministischen HipHop und Clubmusik. Wann und wie bist du in die DJ-Welt eingetaucht?
Für Veranstaltungen, die ich mitorganisiere, war mir schon immer eine diverse Zusammensetzung der Menschen auf und neben der Bühne wichtig. Nach meiner Rückkehr 2018 aus Berlin nach St.Gallen fiel mir dies jedoch sehr schwer, weil ich kaum weibliche* DJ’s oder Musiker*innen fand. Somit hab ich mich kurzerhand selber hinters DJ-Pult gestellt und mir das DJ-ing von Freund*innen zeigen lassen. Seither organisieren wir auch einfache DJ-Workshops speziell für FLINT*-Personen, um diesem aktuellen Ungleichgewicht entgegenzuwirken. Seit Beginn der Covid-19-Pandemie gibt es momentan leider kaum DJ-Gigs, weshalb ich mich aktuell mehr auf die Musikproduktion konzentriere.

Claudes musikalische Power-#heroines: “Oh, da gibt’s viele: Missy Elliot, Cakes Da Killa, Quay Dash, Kae Tempest, Mavi Phoenix, Kerosin95, Klitklique, KimBo…”

Claudes musikalische guilty pleasure: “Haha, mein Guilty-Pleasure ist ganz klar Haiyti. Grosser Fan.”

Claudes ultimativer Powertrack: “Das grossartige Album ‚Chaleur Humaine’ von Christine and The Queens. Das holt mich aus jedem Loch raus.”

Wie hat sich der Weg in die DJ-Welt für dich als Frau* gestaltet? Welchen Hürden und Vorurteilen bist du begegnet?
Hürden und Vorurteile erlebe ich praktisch fast immer, insbesondere gegenüber feministisch organisierten oder ausgerichteten Veranstaltungen. Gerade weisse Cis-Männer, die in unseren Kulturinstitutionen vorwiegend mit Kompetenzen und Entscheidungsmacht ausgestattet sind, reagieren  kritisch und oft auch ablehnend. Doch es hat sich gezeigt, dass sich Beharrlichkeit, geduldige Bildungsarbeit und das Schaffen von eigenen Räumen auf die Dauer auszahlen. Denn eigentlich wollen wir ja alle zusammen für mehr intersektionale Gleichberechtigung aller Geschlechter und Menschen arbeiten, und das geht nur, wenn alle mitziehen, auch die Männer*.

Don’t Miss This: Am Sonntag, 16. August 2020 findet im Stadtpark St.Gallen die Präsentation des Projektes salon vert-discours féministes statt – mit Performances von Jessica Jurassica, Hilke Ros und Claude Bühler. Zudem gibt’s Sound- und Videoinstallation.

www.salon-vert.ch

salon vert – discours POWERFUL!

Photocredit: Claude Bühler