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Jungfrau in Nöten? Der steinige Weg der Superheldinnen-Saga

Rahel Zingg

Superheldinnen schaffen es immer öfter von Comic-Büchern auf die Leinwand (in mehr oder weniger zufriedenstellenden Darstellungen). Warum der Weg dahin so steinig war. Und warum die Heldin, die ich euch ganz besonders ans Herz lege, weder Wonder Woman noch von DC ist.

Hindernis 1: Superheldinnen verkaufen sich nicht
“Weibliche Superhelden sind schlecht fürs Geschäft”. Die Worte des Managers des Marvel Comic- Verlags 2017 gegenüber dem Online-Magazin ICv2. Dieser David Gabriel ist bei Marvel für die gedruckten Hefte zuständig, um die es im Gegensatz zu den sehr erfolgreichen Superheldenfilmen nicht zum Besten bestellt ist. Schon länger nicht mehr. Reagiert wurde damit: Mit Diversity.

In den letzten Jahren wurden die Zeichner*innen und Texter*innen gebeten, das Marvel-Universum mit mehr Diversität zu versehen. Das Ergebnis war unter anderem ein afroamerikanischer Spider-Man mit lateinamerikanischen Wurzeln sowie ein Spinnenmädchen mit dem Namen Spider-Gwen. Diese neue Heldengeneration, sagte Gabriel, habe sich nun als Ladenhüter erwiesen. Das Publikum wolle keine Heldinnen.

Nach dem Shitstorm, den diese Worte aufbeschworen, gab er ein weiteres Interview. Logo, sei man stolz auf die neuen Charaktere, Spider-Gwen und ihre Gefährtinnen sollten keinesfalls aus den Geschäften verschwinden. Fair. Denn dass das Verlagshaus struggelt, ist nicht die Schuld der Frauen. Da Marvel seit der Gründung 1939 vor allem die Gelüste der jungen männlichen Zielgruppe bedient hat, werden die neuen Titel natürlich nicht automatisch zu Verkaufsschlagern.

Im Gegensatz zu den verfilmten Frauen. Die Verfilmung der DC-Comicfigur Wonder Woman durch die Regisseurin Patty Jenkins bewies, dass eine starke Frauenfigur einen Superheldenblockbuster wirtschaftlich mindestens so gut tragen kann, wie ihre männlichen Kollegen Batman oder Superman. Wenige Tage nach der US-Premiere am 1. Juni 2017 hatte er fast 103,3 Millionen Dollar eingespielt. Nach Berechnung des Branchenmagazins “Hollywood Reporter” ist das der stärkste Filmstart, der einer weiblichen Regisseurin jemals gelungen ist.

Darauf traute sich auch Marvel und zog nach. 2019. Mit Captain Marvel, in dem Brie Larson die titelgebende Superheldin spielt. Der erste Film, der um eine Frau gebaut wurde, und der erste von einer weiblichen Regisseurin. Aber das ist schon das einzig Revolutionäre (sonst ist der Film leider schlecht).

Hindernis 2: Die starke, toughe Frau war bisher leider meistens eindimensional
Mit Superheldinnen kann man nichts falsch machen? Denkt ihr? Aber: Sexistische Stereotype äussern sich nicht immer in passiven Frauen. Cool, entspannt, niemals schwach: Eindimensionale Frauencharaktere werden oft als feministische Errungenschaften bejubelt. Klar, die “starke toughe Frau” könnte eigentlich genau als Gegenteil zur hilflosen “Jungfrau in Nöten” gesehen werden – und ist dennoch gleichermassen eindimensional.

“Starke Frauen” in Serien oder Filmen sind ein Klischee, das eigentlich niemand mehr hören kann. Bedeutet das, dass Frauen ohne jegliche Zusatzbeschreibung automatisch “schwach” sind? Dass Frauenfiguren nur dann als emanzipatorische Heldinnen und feministische Triumphe gefeiert werden können, wenn sie stolz und stoisch jeglichen Müll ertragen, denen das Leben ihnen so entgegen wirft?

Glücklicherweise dürfen mittlerweile selbst Superheldinnen Frauen sein, die an dem Durchlebten wachsen, sich dadurch antreiben lassen, gegen Unrecht kämpfen und ihr Trauma dabei zu einer Waffe machen. Sie dürfen schwach, sensibel, unsicher, traumatisiert, menschlich sein, ohne sich den Vorwurf gefallen lassen zu müssen, das Klischee des “schwachen Geschlechts” weiter voranzutreiben. Viele Filme gestehen Frauen endlich die Komplexität zu, die männliche Charaktere seit Jahren zugesprochen wird.

Nehmen wir noch einmal Wonder Woman als Beispiel. Mit ihr haben wir nämlich mehr als einfach nur eine weibliche Besetzung des Comic-Helden mit magischen Kräften. Weit klüger als ihre männlichen Kollegen reagiert Wonder Woman nämlich mit dem einzig möglichen Mittel auf eine brutale Welt: Verständnis. Ohne Zynismus, hört sie einfach nicht auf mit den Versuchen, die sie umgebende Welt zu verstehen.

The Rise – und warum diese Heldin vor allem während Corona wichtig ist
Abschliessend kann gesagt werden: Es gibt sie ja schon noch. Auf der Leinwand. Die eindimensionale Frau, der es, von ihrer Stärke abgesehen, an jeglichen Eigenschaften fehlt und die den Plot selten vorantreibt. Manchmal verkörpert sie so sogar eine Heldin. Beispiel: das einzige weibliche Avengers- Mitglied, die Black Widow. Sie ist eine exzellente Kämpferin und Spionin, der es jedoch an Tiefe fehlt. Aber es gibt sie mittlerweile zum Glück immer seltenener. Sie machtee Platz für Wonder Woman, für Katniss Everdeen (aus der “Tribute von Panem”-Serie – eine geschickte Jägerin, aber auch fürsorglich, wütend, Beziehungen pflegend), für Beatrix Kiddo (“Kill Bill”).

Und eine möchte ich euch hier noch ganz besonders ans Herz legen. Buffy. Im Bann der Dämonen. Sie ist schon zwanzig Jahre alt, Sarah Michelle Gellar spielt darin ein Highschool-Mädchen, das auch eine Vampirjägerin ist (das alles erträgt sie mit wirklich viel Contencance). Warum gerade jetzt und sie? Nun, sie lebt ständig in einer Angstsituation. Jede gesellschaftliche Verbindung in ihrer Welt ist für sie hochgefährlich. Etwas Unsichtbares ist omnipräsent – das ist gerade in Zeiten von Corona sehr passend. Aber wie auch immer und Covid-19 hin oder her: Buffy war schon vor 20 Jahren fantastisch. Und sie ist es auch 2020 noch.

Photocredit: The Buffy Rewatch