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“Und wie wir hassen” – von ein paar “süssen Mäuschen”

Rahel Zingg

Die Texte in dem Buch Und wie wir hassen sind keine, die jemandem schmeicheln. Es enthält keine Komplimente, keine Danksagungen. Ja, es gibt einiges, das im Laufe der Jahre besser geworden ist im feministischen Sinne. Trotzdem: Einfach nur dankbar sein, ist nicht. 

Unbeliebter als Vegetarier*innen und Veganer*innen sind nur noch Feminist*innen und Umweltschützer*innen – besagt eine Studie. Ich fühle mich zu mehreren dieser (nennen wir sie mal) Interessensgemeinschaften zugehörig. Ausserdem werde ich den ganzen folgenden Text mit (*) durchgendern und ein schwer zu ertragendes Buch empfehlen. Manchmal muss man es nun mal aushalten können, sich unbeliebt zu machen. Manchmal lohnt sich das sogar. So kommt wenigstens niemand auf die Idee, einen als süss oder als Mäuschen bezeichnen zu müssen.

Warum so wütend?
Hier ein bisschen Wahrheit: Der hohe Fleischkonsum pro Kopf hat erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt und das Klima. Es gibt immer noch Rassismus und Diskriminierung in diesem Land. Frauen werden im Schnitt schlechter bezahlt als Männer.

Durchatmen.

Jemand, der diese durchaus bewiesenen Wahrheiten nicht glauben möchte – diese Skeptiker*innen und manchmal sogar Verschwörungstheoretiker*innen – kann den/die Überbringer*in solcher Tatsachen jetzt für unsympathisch halten.

Unsympathisch. So zart ausgedrückt. Für ihre Texte und Ansichten bekommen die 15 Frauen, die sich für Und wie wir hassen zusammengeschlossen haben (kuratiert von der österreichischen Autorin Lydia Hader), meistens viel Schlimmeres zu hören. Darum auch das Buch. Weil Frauen den Hass, der Ihnen teilweise entgegenschlägt, satt haben. Weil sie den Hass hassen. Und auch hassen können. Darum eben das Buch. Um die Dynamik des Hasses zu entlarven.

“Hass ist kein Gefühl. Hass lässt sich nur in Vernichtung ausdrücken. Hass ist das Gegenteil von Neugier. Ich hasse nicht. Manchmal empfinde ich Ekel. Oder Verachtung. Vor dem Hass. Für den Hass. Aber nein, ich hasse so wenig, wie ich verschwinde. Nein. So wenig, wie ich aufgebe. Nie.” – Manja Präkels

Unter den Autorinnen befinden sich Stefanie Sargnagel, Sibylle Berg, Kathrin Röggla, Barbi Marković und Maria Muhar. Unter den Themen: das Patriarchat, Gewalt gegen Frauen, die politische Lage – alles was Hassenswert erscheint. Unter den Texten: manchmal gezielte Frontalzusammenstösse, manchmal subtile, manchmal geschickte, manchmal ziemlich deutliche Provokationen. Manchmal sogar radikal-feminstische Manifeste bei denen man sich fragt: Ernst oder Ironie? Man weiss es nicht.

“Ich hasse die Formulierung ‘toxische Männlichkeit’, weil sie so geil klingt. Toxisch. Es zischt und brodelt. Das männliche Gift.” – Stefanie Sargnagel

Über das gesamte Buch und über seine 160 Seiten zieht sich der ausgestreckte Mittelfinger. Zensiert wird nichts.

“Es kommt aus dem Knabenzimmer dummer, deutschsprachiger Hip-Hop. Ich hätte gehofft, dass mein Kind einen etwas eigenständigeren Musikgeschmack entwickelt.” – Sibylle Berg

Fragt DIE ZEIT Herausgeberin Lydia Hader, warum denn nur Frauen zu Wort gekommen seien, antwortet sie: “Bei hassenden Männern würde niemand fragen! Bei Männern ist Hass ja normal, auch in der Realität.” Die Frage sei nämlich nicht nur “was” und “warum” und “warum wir Frauen”, sondern auch “wie”. Das rückt den Titel des Buches Und wie wir hassen noch einmal in ein anderes Licht – wenn die Betonung auf dem “wie” liegt.

Recap
Fest steht: Wir haben, auch wenn einiges im Laufe der Jahre besser geworden ist im feministischen Sinne, noch immer allen Grund uns zu beschweren und wütend zu sein. Es gibt immer noch Rassismus und Diskriminierung in diesem Land. Frauen werden im Schnitt schlechter bezahlt als Männer …

Meist ist doch das Einzige, das in Anbetracht der Missstände möglich scheint: ein Empfinden wütender Ohnmacht. Manchmal Entsetzen, was zumindest noch den Überraschungsfaktor einräumt. Richtig schlimm ist, wenn man nicht mal mehr entsetzt ist. Nur noch hilflos. Wenn alles, was bleibt, ein kleines Entsetzen darüber ist, dass man nicht mal mehr überrascht ist. Man sollte sich beschweren. Hier also die Wut im Buch.

Photocredit: via Instagram, Kreymar & Scheriau