Queer Talk, Vol. 7: “Willst du eigentlich keine Kinder?”
Rico Schüpbach
Ich werde seit einiger Zeit und aktuell wieder öfter gefragt, ob ich keine Kinder will. Ein Kind zu haben wäre der nächste, eigentlich längst überfällige Schritt in meiner langjährigen Beziehung. Soweit die heteronormative Logik. Nur leider ist das eben nicht so einfach. Abgesehen davon, dass ich während einer Pandemie wirklich andere Gedanken habe als mich fortzupflanzen, gäbe es da doch noch ein, zwei andere Hürden. I’ll show you.
Erstens: Wenn du in einer ‘eingetragenen Partnerschaft’ lebst – leider muss ich hier erwähnen, dass die Ehe für alle nach wie vor nicht existiert – kannst du keine Kinder adoptieren. Es ist schlichtweg nicht legal.
Sprich, der Staat sieht nicht vor, dass gleichgeschlechtliche Paare Kinder haben. Das muss man sich mal geben: Der Staat will nicht, dass gleichgeschlechtliche Paare Kinder adoptieren. Wtf.
Zweitens: Leihmutterschaft im Ausland. Ja, das wäre eine Möglichkeit. Ich stehe dem Thema kritisch gegenüber und würde es ablehnen, eine Frau für diesen ‘Dienst’ bezahlen zu wollen. Abgesehen davon, dass wir uns dieses Unterfangen als Paar wohl kaum leisten könnten. Eine Leihmutterschaft kostet rund Fr. 200’000.-. Plus die ganze Energie, die für Papierkram aufgewendet werden muss, weil es eben rechtlich auch kompliziert ist.
Ich respektiere alle, die diesen Weg gehen. Für mich ist das nichts.
Drittens: Wir sollten die als ideal proklamierte Kleinfamilien-Romantik grundsätzlich hinterfragen. Wenn ich als schwuler Mann anfangs dreissig gefragt werde, ob ich Kinder will, wie häufig müssen Frauen dann diese Frage hören. Womöglich täglich mehrmals. Ich kann euch nur bitten, hört auf mit dem Quatsch. Es ist äusserst unangenehm. Vor allem wenn ihr nicht enge Freund*innen seid, geht sowas eigentlich gar nicht.
Ich hab auch genug von dieser Assimilationsstrategie, bei der wir Queers doch bitte allen beweisen sollen, dass wir genau so ‘normal’ sind wie alle anderen und sicher kein ausschweifendes, promiskuitives Leben führen. Assimilier dich bitte selbst, mich lass’ gefälligst in Ruh.
Viertens: Drei Gründe sollten eigentlich reichen.
Aber hier doch noch einen triftigen Grund. Mein Leben ist komplett. Gut möglich, dass ich in einer anderen Welt – ohne repressiven Staat und in einer diskriminierungsfreien Gesellschaft – ein Kind gewollt hätte. Ich kann das aber wirklich nicht genau sagen.
Ich bin mit der Vorstellung aufgewachsen, dass es sowas wie die perfekte Kleinfamilien-Romantik für mich nicht geben wird. Als ich auf die Welt kam, wurde Homosexualität grad von der WHO-Krankheitsliste gestrichen. Das war 1989. Die ‘eingetragene Partnerschaft’ war sehr weit weg – die wurde 2007 in Kraft gesetzt – und mediale Vorbilder gab’s kaum. Jetzt ist vieles anders und Regenbogenfamilien sind zum Glück Realität. Auch in damn locked down Switzerland.
So Babys, I’m wishing you. Bye.
Photocredit: Patricia Wyler for fempop