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Kunstpause

Sandra von Euw

Genau jetzt musstest du kommen, du doofes “C”.
Monatelang waren wir zuhause, haben Hände gewaschen, Kontakt zu niesenden und hustenden Menschen gemieden und ohne Zeit- und Raumgefühl in den Tag hineingelebt. Alles Dinge, die Eltern nach der Geburt ihres ersten Babys halt so machen. Dass dies nur wenige Wochen später für die ganze Welt zum Status-Quo gehören würde, hätten wir nicht im Traum gedacht. Das “C” und der nachfolgende Lockdown haben unseren Alltag noch stärker verändert, als es Baby A sowieso schon tat. Als Ende März Baby A endlich einen geregelteren Rhythmus hatte und wir die Tag besser planen konnten, musstest du kommen, du doofes “C”.

Genau jetzt, als ich wieder ich sein könnte, meine Freigänge mit einem grösseren Radius statt nur Migros retour planen könnte, endlich wieder einmal Prosecco mit Freundinnen trinken könnte (hallo Milchpumpe!) und Mami und Papi endlich wieder kulturell-anspruchsvollere Dinge unternehmen könnten, als nur Tiger King oder Love is Blind auf Netflix zu schauen. Genau jetzt musstest du kommen, du doofes “C”.

Branche um Branche fand neue passende Lösungen. So auch der Kulturbereich. Neue Wege wurden beschritten, um die vielen Vorstellungen und Ausstellungen nicht einfach ungesehen zu lassen.

Einen klitzekleinen Vorteil hatte der Lockdown jedoch. In Windeseile konnten digitale Lösungen für alle möglichen Probleme gefunden und umgesetzt werden. Homeoffice und abendliche Treffen via Houseparty oder ZOOM gehörten praktisch über Nacht zur neuen Normalität. Branche um Branche fand neue passende Lösungen. So auch der Kulturbereich. Neue Wege wurden beschritten, um die vielen Vorstellungen und Ausstellungen nicht einfach ungesehen zu lassen.

Landesmuseum Zürich
Eine überzeugende Lösung fand das Landesmuseum Zürich. Am 19. März 2020 hätte dort die neue Ausstellung “Nonnen – Starke Frauen im Mittelalter” eröffnet werden sollen. Aber eben…das doofe “C”! Zum Glück haben die technisch-versierten Mitarbeitenden des Museums die ganze Ausstellung virtualisiert (ja, dieses Wort gibt es!) und ins Netz gestellt. In 57 Stationen führt der virtuelle Rundgang durch die Ausstellung und zeigt mit prunkhaften Objekten, dass Nonnen im Mittelalter weit mehr waren als asketisch lebende Frauen, die sich nur für die Welt innerhalb der Klostermauern interessierten. Das Kloster bot Frauen Möglichkeiten, die sie sonst kaum hatten – Zugang zu höherer Bildung, soziale Absicherung und die Chance, sich familiären Normen zu entziehen. Die Ausstellung zeigt anhand verschiedener Persönlichkeiten, wie vielfältig die Lebensformen geistlicher Frauen im Mittelalter waren.

Schweizerisches Nationalmuseum

Wem mehr nach abenteuerlichen Expeditionen ins ewige Eis ist, dem sei die kürzlich eröffnete Ausstellung “Grönland 1912” empfohlen. Bereits 1912 durchquerte der Schweizer Forscher Alfred de Quervain Grönland. Nebst den spannenden Reiseberichten und Dokumenten zeigt die Ausstellung eindrückliche Fotos in Riesenformat!

Schweizerisches Nationalmuseum

Kunsthaus Aargau
Einen ganz neuen Weg, um das Haus trotz geschlossenen Toren zu öffnen, hat das Kunsthaus Aargau eingeschlagen. Mit dem neuen Format “Digital” will das Kunsthaus vermitteln, bilden, vernetzen, unterhalten, beschäftigen, informieren, fragen und antworten. Gestalterische Workshops via ZOOM, dialogische Bildbetrachtungen, Videorundgänge oder audiovisuelle Beiträgenwurden entwickelt und schliesslich den Kunstinteressierten kostenlos präsentiert.

Aargauer Kunsthaus

Nicht nur alle Museen sind “out of order”, auch die Theater und Opernhäuser, alle Orte halt, an denen die vom Bund vorgeschriebenen Verhaltens- und Hygieneregeln nicht eingehalten werden können.

Als Liebhaberin kitschiger italienischer Opern bin ich über die durch das doofe “C” erzwungene Kunstpause natürlich besonders enttäuscht. Endlich hätte ich wieder auf diesen kratzigen roten Samtsesseln sitzen und in der Pause Champagner schlürfen können. Die Billette waren bereits gekauft. Doch auch hier – alles abgesagt. Zum Glück hat auch das Opernhaus Zürich Mitleid mit uns Opern- und Ballettverrückten und stellt noch bis Anfang Juni jedes Wochenende eine grosse Opern- oder Ballettproduktion kostenlos ins Netz. Das sind noch drei wundervolle Produktionen:

  • Wozzeck 15. bis 17. Mai 2020
  • Werther 21. bis 24. Mai 2020
  • Rigoletto 29. Mai bis 1. Juni 2020

Doch so schön diese vom Sofa aus konsumierte Kultur auch ist – bitte, liebe Kitsch und Pomp-Liebenden, geht ins Museum, geht ins Theater, geht und unterstützt grosse und kleine Kulturbetriebe – sobald wieder möglich! Sie brauchen euch, jetzt mehr denn je!

Titelbild: Dominic Büttner, Schweizerisches Nationalmuseum & Aargauer Kunsthaus