FoodValentine's Issue

Tarte aux féministes

Nicole Giger

Eine wichtige Frage im Leben einer Französin: Tarte au chocolat ou Tarte au citron?

Die Frage, ob man überhaupt zugreifen soll, stellt sich Französinnen nicht. Französinnen haben Figuren wie Pilates-erprobte Gazellen, schlank und rank. Zunehmen tun sie nie – und schon gar nicht von Pâtisserie. Sowieso scheinen sie vieles richtig zu machen. Kindererziehung, Kleidung, Karriere. Sie bestellen beim Bäcker um die Ecke Eclairs, trinken Champagner, wann immer sie wollen und naschen Moules Frites dann, wenn ihnen danach ist. Béret, roter Lippenstift und auch besoffen noch charmant.

Französinnen wissen sich zu schauen. Verzicht und exzessiver Sport sind in etwa so französisch wie ein Baguette zu schneiden. Savoir vivre ist das Schlagwort und Klischee zugleich.

Das Klischee ist gar so stark, dass ich mir Französinnen in allen möglichen Situationen vorstellen kann, nur nicht bei der Hausarbeit. Hinter Gitarre oder Klavier, beim Wein trinken und onanieren. Mit Puderzucker um den Mund, das Baby im oder die Aktentasche unter dem Arm. Auf dem Filmset genauso gut wie im Élysée-Palast. Und wenn mal staubsaugen, dann im Deux-Pièces.

Simone de Beauvoir, eine Französin zum Niederknien, schrieb in ihrem Werk “Das andere Geschlecht”, wie bedrückend die tägliche Hausarbeit sein kann. Das Kochen hingegen verteidigte sie, weil es etwas Schöpferisches hatte: “In der Küche werden die Substanzen neu geformt, neu geschaffen (…) Die Frau kann eine einzigartige Befriedigung darin finden, wenn ihr ein Kuchen, ein Blätterteig gelingt, denn dieser Erfolg ist nicht allen gegeben: dafür bedarf es einer Gabe.” Das ist entweder eine echte Weisheit oder dann eine sehr französische Verteidigung der Kochkunst. Und sie gefällt mir wie ein French Kiss und ein French Toast zusammen.

Dass sich Feminismus und Kochen tatsächlich bestens verstehen, beweist auch Elizabeth Bronfen, Feministin, Literaturwissenschaftlerin und Köchin:

“Die Zurückeroberung der Küche kann durchaus als emanzipatorischer Akt verstanden werden. Mit Kochen Prestige gewinnen und richtig viel Geld verdienen: Das ist heute auch für Frauen möglich.”

Es sei aber schon so, dass es in Kulturen, wo man die Frau noch lange Zeit am liebsten hinter dem Herd hat stehen sehen, auch ein verständlicher Protest ist, nicht mehr zu kochen. Bronfen sagt: “Ja, es gibt viele Italienerinnen, die nicht mehr kochen können, das ist ihre Form des Protests. Es ist aber auch traurig, weil so die Rezepte ihrer Mütter und Großmütter verloren gehen. Ich finde, es kann durchaus eine feministische Geste sein, zu sagen: ‘Ich kann auch kochen’. In den Fernsehshows sind lauter Männer, die Sachen in die Luft schmeißen, die Frauen sollten die Küchen wieder für sich erobern.”

Ich glaube, Französinnen kochen ganz hervorragend während sie Chansons hören und aus de Beauvoir rezitieren. So stehen sie am Sonntag in ihren winzigen Küchen in ähnlich winzigen Appartments mitten im Pariser Marais und backen. Tarte au chocolat ou Tarte au citron? Egal, hauptsache féministe.

Rezept für eine Tarte au chocolat

Zutaten

Für den Mürbeteig:
200g Mehl
100g kalte Butter
2 EL Zucker
2 Prisen Salz
1 EL Kakaopulver
1 Ei

Für die Füllung:
400g Vollrahm
300g dunkle Schokolade
2 Prisen Salz
1 grosses Ei
20g Butter

Zubereitung

1 Für den Mürbeteig Mehl mit Salz, Zucker und Kakaopulver vermengen. Die sehr kalte Butter in Würfelchen schneiden. Die Butterstückchen unter die Mehl Mischung geben und zwischen den Fingern verkrümeln. Solange weitermachen bis eine brösmelige Masse entstanden ist, die Parmesan gleicht. Das Ei verquirlen und unter die Krümelmasse ziehen. Den Teig zusammenfügen, zu einer Kugel formen und in Zellofan eingewickelt für ca. 30 Minuten in den Kühlschrank geben.

2 Dann den Teig auf einer gut bemehlten Arbeitsfläche gleichmässig dünn ausrollen und vorsichtig in eine gut gefettete Tarteform geben. Die Ränder andrücken, mit einer Gabel mehrmals einstechen. Nun für 15 bis 20 Minuten bei 160 Grad in der Mitte des vorgeheizten Ofens blindbacken. Hierzu getrocknete Kichererbsen oder Bohnen auf den Boden geben.

3 Für die Füllung den Rahm in einem Topf erhitzen. Schokolade grob hacken und zufügen. Unter Rühren schmelzen lassen. Kurz abkühlen lassen. Salz, Ei und Butter miteinander verrühren, dann die etwas ausgekühlte Schoko-Rahm-Mischung dazu geben, alles gut verrühren. Die flüssige Mischung auf den vorgebackenen Teig giessen (Achtung: Kichererbsen oder Bohnen natürlich noch entfernen) und im Ofen weitere 15 bis 20 Minuten backen. In der Form vollständig auskühlen lassen. Dann im Kühlschrank kühlen bis zum Genuss. Sie schmeckt kalt besser als lauwarm, aber das ist Geschmacksache. Mit Schlagrahm oder Granatäpfeln garnieren, einige geröstete Nüsse machen sich ebenfalls fabelhaft; oder Früchte der Saison.

Photocredit: Nicole Giger / Mags Frisch