FoodSex Issue

I Don’t Need No Sexytoys to Get an Orgasm

Nicole Giger

New York ist die Hauptstadt von Donuts und Pizza, von Black and White Cookies und Eggs Benedict. New York ist sowieso ein bisschen die Hauptstadt von allem. Wenn schon nicht die politische, dann wenigstens sonst von Bedeutung, hat es sich wohl gesagt. In New York gibt es das phänomenalste Pastrami-Sandwich, die besten Cream Cheese Bagels und den cremigsten Cheesecake, dessen letzter Bissen mir regelmässig Tränen in die Augen treibt. Schon sind sie da, diese unsäglichen Superlative, die eigentlich so unsympathisch sind und uns vieles, was aus den USA kommt, verleiden lassen. Zum essbaren Teil des Big Apple passen sie jedoch tatsächlich oft. Das weltbeste (ärgerlicher Superlativ, ich weiss) Pastrami-Sandwich gibt es übrigens bei Katz’s Delicatessen. Das Katz’s in New York ist eine Institution. Die Wände sind tapeziert mit der Katz’schen Kundschaft, die vom Baseballprofi über Hollywoodsternchen bis hin zu Politgrössen reicht. Das Lokal ist gut besucht, Tourist_innen und Einheimische tummeln sich gleichermassen in diesem Mekka von Pastrami und Matzo Ball Soup, stets von der leisen Hoffnung begleitet, dicht hinter einer New Yorker Prominenz sein Reuben-Sandwich zu ordern. Das Katz’s ist auch jenes Lokal, das als Schauplatz für die unvergessene Orgasmusszene im Film When Harry Met Sally diente, in der die bildschöne, weil noch unoperierte Meg Ryan ihrem Date lautstark einen Orgasmus vorspielt. Der Dame am Nebentisch bleibt nur noch der legendäre Satz: “Waiter, I’ll have what she’s having.”

Der Filmklassiker When Harry Met Sally beweist, dass Nora Ephron eine Instanz ist, wenn es um Liebeskomödien geht. Weitere Drehbücher aus ihrer Feder bestätigen dies: Sleepless in Seattle, Julie & Julia oder “You’ve Got Mail. Ephron, die auch mal sagte, bloss keine Dame sein zu wollen, hat reichlich Erfahrung mit der Liebe und dem Liebesaus, ehelichte drei Männer und kann auch vom Betrogenwerden ein Lied singen oder eben eine Geschichte schreiben. Das tat sie auch in Heartburn, einem autobiografischen Roman, in dem sie ihre gescheiterte Beziehung zu Carl Bernstein verarbeitete. Der Journalist, der den Watergate-Skandal aufdeckte, war zu wenig gewieft, seine aussereheliche Affäre geheim zu halten. “Man kann niemals zu viel Butter nehmen, das glaube ich. Wenn ich eine Religion habe, dann das”, erklärte Ephron in einem Interview. Mehr auf Kohlenhydrate, weniger auf Fett setzt ihre betrogene Protagonistin, ihr Alter ego, Rachel im Roman Heartburn. Deren Kartoffelstrategie und die Hochachtung der Knolle weist durchaus auch religiöse Züge auf.

“Ich habe Freunde, die beginnen mit Pasta, andere beginnen mit Reis, aber immer, wenn ich mich verliebe, beginne ich mit Kartoffeln. Manchmal Fleisch mit Kartoffeln, manchmal Fisch mit Kartoffeln, aber immer mit Kartoffeln. Ich habe beim Verlieben viele Fehler gemacht und die meisten bereut, aber nie die Kartoffeln, die dazugehörten.” – Nora Ephron, Heartburn

Eine Kartoffelverehrerin, die all die gekochten Kartoffeln weniger bereut als ihre verflossenen Männer, ist nicht nur sehr sympathisch, sondern auch durchaus inspirierend. Kartoffeln zum ersten Date sind eine ausgezeichnete Wahl. Kartoffeln zeugen von Bodenständigkeit, sind wandelbar wie kaum ein anderes Gemüse und sättigen so ausreichend, dass man sich dabei fast guten Gewissens betrinken darf, ohne gleich betrunken zu sein. Zudem weiss frau, woran sie ist. Ist es, das Gegenüber, genauso verrückt nach der Knolle, ist das in etwa so viel wert, wie wenn es dieselbe Partei wählt und den gleichen Wein mag. Eine gute Wahl also, die Kartoffel.

Dann gilt es nur noch zu entscheiden, mit welchem Kartoffelgericht die Romanze ihren Anfang nehmen soll. Gratin, Püree, gebacken oder frittiert? Anbieten würden sich auch Latkes. So heissen in der jüdischen Küche die knusprig ausgebackenen Kartoffelküchlein oder Kartoffelpuffer, die meist mit Apfelmus oder Sauerrahm serviert werden. Nora Ephron, die Autorin mit der grossen Schwäche für Kartoffeln, stammt selbst aus einer jüdischen Familie und wird – so wage ich zu behaupten – wohl auch eine für Latkes haben. Sollte das Gegenüber einem keine Schmetterlinge in den Bauch zaubern, dann sind wenigstens die Latkes durchaus in der Lage, für solche zu sorgen. So kross und knusprig, herzhaft und saftig zugleich. Ich weiss nicht, wie viele erste Dates Abend für Abend im Katz’s über die Bühne gehen, ich weiss aber, dass ich hier Latkes essen sollte. Auch wenn das Pastrami-Sandwich mindestens ebenso berühmt ist wie seine Kundschaft, bestelle ich Latkes mit Apfelmus und Sour cream. Ich bereue nichts, sie schmecken umwerfend. »I don’t need no sexytoys to get an orgasm”, title ich liebestrunken in meiner Latkes-Story auf Instagram – ganz in Gedenken an Nora Ephron, die geniale Drehbuchautorin und Kartoffelköchin.

Rezept für Süsskartoffel-Kürbis Latkes
für 3 bis 4 Personen

Für die Latkes:
600 g Süsskartoffeln, geraffelt
400 g Kürbis, geraffelt
2 Eier
2 EL Kokosraspel
50 – 70 g Mehl (je nachdem wie feucht der Teig ist)
Grobkörniges Meersalz, Pfeffer aus der Mühle
2 TL Zaatar
Rapsöl zum Ausbacken

Für den Dip:
150 g Naturjoghurt
100 g Tahini
Einige Spritzer frischer Zitronensaft
grobkörniges Meersalz, Pfeffer aus der Mühle
1 EL Zaatar, zum Garnieren
1 TL schwarze Sesamsame, zum Garnieren
Olivenöl zum Beträufeln
Handvoll Sprossen oder Micro Greens

Zubereitung

1 Für den Dip die Joghurt mit Tahini, Salz, Pfeffer und Zaatar gut mischen.

2 Süsskartoffeln und Kürbis schälen und an einer Bircherraffel reiben. Süsskartoffeln und Kürbis in ein Säckchen geben und für 15 Minuten tiefkühlen. Danach herausnehmen und gut ausdrücken. Je mehr Wasser dem Gemüse entzogen wird, desto besser.

3 Die Kartoffel-Kürbis-Mischung in eine Schüssel geben, Gewürze, Eier, Kokos und Mehl dazugeben und gut mischen. Aus der Masse von Hand kleine Patties formen.

4 Reichlich Öl in einer großen Bratpfanne erhitzen. Die Patties auf mittlerer Stufe anbraten. Temperatur zurückstellen und die Latkes von jeder Seite 12 bis 15 Minuten ausbacken. Sollten die Patties zu dunkel werden, die Temperatur zurückstellen. Die Latkes sollten goldbraun und knusprig sein.

5 Das Tahini-Joghurt auf eine Platte streichen, die Latkes darauf anrichten und mit Zaatar, Sesam und Micro Greens toppen, mit Olivenöl beträufeln. Das restliche Tahini-Joghurt dazu reichen.

 

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