Youth IssueZeitgeist

We Love Greta

Cécile Moser

Sie ist für den Friedensnobelpreis nominiert, war Ehrengast am WEF und wurde jüngst gar vom Pabst persönlich begrüsst: Greta Thunberg. Die junge Schwedin hat binnen weniger Monate geschafft, wofür andere ein Leben lang brauchen: Die Massen zu mobilisieren. Jugendliche rund um den Globus streiken mit ihr am #FridaysforFuture und fordern den längst überfälligen Klimaschutz ein. Dass es sich bei dieser Gallionsfigur um ein junges Mädchen handelt, ist kein Zufall.

Frau der Stunde: Greta Thunberg ist das jüngste Phänomen in Punkto Jugendaktivismus. Mit ihren freitäglichen Streiks begeisterte sie Jugendliche auf der ganzen Welt und binnen weniger Monate hat sich der #FridaysforFuture zu einer festen Institution entwickelt. Mit Transparenten und lauter Stimme fordern die Jugendlichen, was längst überfällig ist: Klimaschutz und ein nachhaltiges Umdenken in allen Lebensbereichen. Das bringt insbesondere die alten grauen Herren in Rage, schliesslich wird ihre Lebensweise, die sie sich erkämpft haben und als ein unangreifbares Privileg betrachten, an den Pranger gestellt: Flugreisen, Fleischkonsum, kapitalistisches Handeln und Denken. Doch man kann es drehen und wenden, wie man will: Greta und Co. sind genau darum so mächtig, werden gehört und sorgen für Empörung, weil sie aussprechen, was sich sonst niemand traut. Ihre Forderungen decken schlichtweg die Wahrheiten auf, welche zu lang verdrängt wurden.

Mit ihrer sachlichen und kühlen Art gleicht Greta beinahe einem altertümlichen Orakel, das nichts als die Wahrheit spricht. Mit ihren Forderungen, gekoppelt mit dem Fakt, dass es sich hierbei um ein junges Mädchen handelt, sorgt sie für erhitzte Gemüter. Medien beobachten ihr Tun und Handeln akribisch und warten nur darauf, dass sie einen Fehler macht – man denke etwa an ihren Exkurs zur Atomenergie. Doch wenn man sich Gretas Geschichte anhört, ist ihr Handeln, ihre Konsequenz und ihr Durchhaltewille nichts als eine logische Konsequenz; wenn man sich denn nicht seinen Gefühlen – und der Wahrheit natürlich – verschliesst. In einem Interview erklärt ihr Vater, dass Greta – sie hat das Asperger-Syndrom – vor einigen Jahre begann, sich Gedanken um das Klima zu machen. Sie stellte Fragen und zog aus den Antworten der Eltern die logischen Konsequenzen: Wenn wir so weiter machen, existiert unser Planet, so wie wir ihn noch kennen, bald nicht mehr. Wir müssen unsere Lebensweise und unseren Konsum komplett ändern. Nach langen depressiven Phasen, wo sie auch komplett verstummte, entschied sie sich, diesen Kampf aktiv anzugehen. Sie änderte die gesamte Lebensweise ihrer Familie und schon bald standen die Thunbergs mit Greta an der Front, um die Klimaforderungen zu stellen. Von da an ging es mit Greta wieder bergauf.

Dass sich Männer, insbesondere mächtige Männern wie Trump und Co., mit diesen Forderungen besonders schwer tun, erklärt sich leicht. Denn was wir insgesamt ändern müssen, ist unsere Art zu wirtschaften, und unsere Bewertung davon, was erstrebenswerter Konsum ist. Denn es darf und kann nicht mehr das 500g Rindsfilet und der Kurzstreckenflug nach Barcelona sein, sondern es müssen Werte wie Gemeinwohl und regionaler und saisonaler Konsum sein. Es müssen neue Arten des Zusammenlebens an diese Stelle treten, und wir brauchen eine neue, reglementiertere Wirtschaft. Deshalb müssen wir diesen männlich und patriarchal geprägten Wirtschaftsmodus ändern und komplett neu denken. Frauen haben eine andere Geschichte durchlebt, wurden anders sozialisiert und kümmern sich immer noch grösstenteils um die Care-Arbeit in diesem Land. Wir müssen also endlich sehen, dass diese Lebensweise des sich umeinander Kümmerns, des sich nicht Verschliessens, des Zulassens der Emotionalität gefragt ist, um eine humanere Wirtschaft zu erschaffen und die dringend nötige Familienpolitik zu stärken.

Macht es wie Greta – und werdet aktiv. Im Kleinen, im Rahmen eurer Möglichkeiten. Es geht nicht darum, von heute auf morgen alles zu ändern und perfekt zu machen. Es geht um Bewusstsein, gefolgt von kleinen Taten.

Greta ist glücklicherweise gekommen, um zu bleiben. Und sie ist nur die Vorbotin dafür, was noch kommen wird. Entgegen dem gängigen Totschlagargument, dass auch Aktivist_innen schon mal geflogen wären oder nicht alle komplett “grün” lebten, raten wir euch: Macht es wie Greta – und werdet aktiv. Im Kleinen, im Rahmen eurer Möglichkeiten. Es geht nicht darum, von heute auf morgen alles zu ändern und perfekt zu machen. Es geht um Bewusstsein, gefolgt von kleinen Taten. Und wer einmal damit angefangen hat, dürfte solch neue Formen der Zufriedenheit und des Glücks darin finden, dass ein Zurück nicht mehr gefragt ist.

Photocredit: Ennio Leanza