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Pretty in Green: Unsere #heroine Sarah Semrau

Rahel Fenini

Es ist ein kalter Freitag im Oktober. An der Stampfenbachstrasse in Zürich, wo sich Beautygeschäft an Coiffeursalon und Nagelstudio reiht, sind die Bauarbeiten an den Tramgleisen in vollem Gange. Es ist laut, staubig und irgendwie ungemütlich. Kurz: Not as glamourous as one might expect! Umso mehr freue ich mich, als ich mein Ziel erreiche: die Nr. 153, das Organic Beauty Department PRETTY & PURE der #heroine Sarah Semrau, 37, das sich spezifisch auf grüne Kosmetik spezialisiert. Denn “Pretty in Pink” ist so 19-and-late! Ein Tritt über die Türschwelle und ich finde mich in einer komplett anderen Welt wieder. Während draussen immer noch reges Treiben herrscht, findet frau sich im Geschäft von Sarah in einer Beautyoase wieder. Es duftet herrlich, aus den Boxen erklingen sanfte Spa-Sounds und die sorgfältig aufgereihten Produkte im simpel-coolen Packaging buhlen um meine Aufmerksamkeit. I love it! Sarah begrüsst mich herzlich und wir setzen uns fürs Interview in die Sessel, in denen wohl wenige Stunden später eine glückliche Kundin die Füsse verwöhnt bekommt.

Hier sind wir also. In deinem Geschäft und Beauty Department PRETTY & PURE, das 2013 am Zürcher Schaffhauserplatz zum ersten Mal seine Türen öffnete. Vorher hast Du fast zehn Jahre lang als freischaffende Make-up Artistin gearbeitet. Wer bist du noch nebst erfolgreicher Geschäftsführerin und #heroine?
Ich bin die Tochter einer Lebenskünstlerin und eines Antiquitätenrestaurators. Meine Mutter ist eine Alleskönnerin: Früher war sie einmal Modedesignerin, mittlerweile kämpft sie aktiv für den Tierschutz. Mein Vater ist ein Musikliebhaber und Ästhet. Ich glaube, ich habe wohl einige Attribute und Vorlieben meiner Eltern geerbt und auf meinen eigenen Weg mitgenommen. Ich bin heute nebst Geschäftsführerin auch Mami von einem zweieinhalbjährigen Sohn. Meine zwei Babies unter einen Hut zu bringen gestaltet sich nicht immer ganz einfach, und ich bin noch etwas auf der Suche nach der richtigen Work-Life-Balance. Beides geniesse ich aber in vollen Zügen.

Du hast also einen kreativen Hintergrund, deine Eltern haben sich in ihren Tätigkeiten beide der Ästhetik verschrieben. Wolltest du schon als Kind Make-up Artistin werden?
Nein, zu diesem Beruf kam ich eher auf Umwegen. Dennoch war es immer schon mein Wunsch, einen gestalterischen und kreativen Beruf auszuüben. So wollte ich als Jugendliche Goldschmiedin, Modistin oder auch Archäologin werden. Schliesslich habe ich mich dann aber doch für eine Lehre zur Augenoptikerin entschieden. Während der Ausbildung musste ich feststellen, dass mich dieser Beruf nicht wirklich glücklich macht, und ich begann davon zu träumen, Maskenbildnerin zu werden, und an Filmsets Menschen in grauselige Monster zu verwandeln. Doch auch hier kam ich mit der Zeit zur Erkenntnis, dass ich mich eher auf “Schönheit” fokussieren möchte und mit Make-up in diesem Bereich tätig werden will. So habe ich dann schliesslich mit 22 Jahren die Make-up Artist_innen Schule in Zürich begonnen.

 

Wohin hat der Weg nach der Ausbildung geführt?
Nach der einjährigen Ausbildung habe ich allmählich den Schritt in die Selbständigkeit gewagt. Ich habe gut zehn Jahre als freischaffende Make-up Artistin gearbeitet – für Werbespots und Werbefotographien, für Corporate Identity Aufträge und Mode-Shootings. Während einem dieser Shootings kam es dann auch zu meinem Gesinnungswandel, als ein Model mir das Buch No More Dirty Looks (Anm. d. Red.: Das Buch widmet sich der Kosmetikindustrie und geht der Frage nach, welche Inhaltsstoffe in Kosmetikprodukten enthalten sind, und welche Auswirkungen diese auf unsere Gesundheit und die Umwelt haben) empfohlen hat. Nach der Lektüre dieser Texte wurde mir bewusst, welche gefährlichen und schädlichen Inhaltsstoffe in gewissen Produkten enthalten sind, und dass ich diese nicht mehr auf meine Haut und die meiner Kund_innen auftragen möchte. Bei der Recherche nach Alternativprodukten aus natürlichen Inhaltsstoffen merkte ich, dass der Markt dieser Angebote in der Schweiz im Vergleich zu den USA extrem klein ist.

Et voilà: Die Idee zu PRETTY & PURE war geboren: Ein Geschäft, das sich auf grüne Kosmetik spezialisiert und die Kundinnen und Kunden für die Thematik sensibilisiert. Heute finden sich im Store bis auf die Nagellacke nur rein natürliche und nachhaltige Produkte aus fairer Produktion, die nicht an Tieren getestet werden und grösstenteils vegan sind. Zudem spenden viele Brands einen Teil des Profits an Wohltätigkeitsstiftungen.

 

Brachte dieser Gesinnungswandel auch eine neue Haltung gegenüber der gängigen Schönheitsindustrie mit sich?
Ja, ich denke schon. Mein Job hat mich zu dieser Zeit nicht mehr wirklich glücklich gemacht. Das Make-up Business ist oberflächlich: Ständig geht es darum, jemanden für einen kurzen Moment wunderschön aussehen zu lassen. Das entstandene Bild suggeriert der/dem Betrachtenden, dass dies das anzustrebende Schönheitsideal ist. Dass sich dahinter jedoch viel Photoshop-Bearbeitungen, die perfekte Beleuchtung sowie viel, meist für die Models schädliche, Schminke verbergen, wird nicht thematisiert. Diesen Zustand konnte ich nicht mehr mit meinem neu gewonnenen Bewusstsein vereinbaren.

Was bedeutet Schönheit heute für dich?
Es mag abgedroschen klingen, aber es ist tatsächlich so: Schönheit kommt von innen. Wenn sich jemand wohl fühlt in seiner Haut, gesund ist und authentisch durchs Leben schreitet, empfinde ich das als sehr schön. Ausstrahlung ist alles!

Was mir weniger gefällt, sind mit Make-up zugekleisterte Gesichter; da stehe ich mehr auf Natürlichkeit. Wenn die eigene Haut durch sorgfältige und gründliche Pflege gesund wird, gibt es nicht mehr viel, das frau oder mann mit Make-up kaschieren “muss”. Dieses Credo steht auch bei PRETTY & PURE im Fokus: Unsere Produkte sollen den Kundinnen und Kunden primär dabei helfen, eine gesunde Haut zu bekommen.

“Ich kann Freude an Make-up haben, … ohne mich dabei patriarchalen Strukturen zu unterwerfen.”

 

Der Gebrauch von Make-up, die tägliche Schmink-Routine von vielen Frauen wird ja von bestimmten Kreisen als anti-feministischer und anti-emanzipatorischer Akt verstanden, der patriarchalen Machtstrukturen in die Hände spielt. Was meinst du zu solchen Gedanken?
Ich empfinde Make-up und meine Schmink-Routine nicht als Muss. Make-up und Schminken machen Spass und geben mir die Möglichkeit, von Tag zu Tag in eine andere Rolle zu schlüpfen, spontan entscheiden zu können, wie ich heute wirken möchte: Sollen meine Mitarbeiterinnen sehen, dass ich bis in die Morgenstunden gefeiert habe, oder mich mein Sohn um den Schlaf gebracht hat? Ich kann Freude an Make-up haben, ohne mich dabei zu verlieren, ohne einem gängigen Schönheitsbild nachzueifern oder mich patriarchalen Strukturen zu unterwerfen. Frauen haben das Zeug und den Willen, unbeeinflusst Entscheidungen für sich selbst zu treffen. Zudem bin ich der Überzeugung, dass wir die ganze Make-up und Styling-Geschichte nicht allzu ernst nehmen dürfen: Frauen sowie Männer sollen damit experimentieren, ausprobieren und Spass haben. Ich persönlich habe vor allem Freude an den Texturen und an den Farben. Sich zu schminken hat etwas Sinnliches, etwas Kreatives. In diesem Moment befasse ich mich nur mit mir; meine Schmink- und Pflege-Routine wird zum Ritual.

Frauen wie Kim Kardashian West und Kylie Jenner prägen das heutige Schönheitsbild und junge Frauen eifern ihren Idolen mit Contouring, Fake-Lashes und Microblading nach. Welchen Umgang mit Beauty und Schönheit wünschst du dir für jüngere Generationen?
Was wir auf Instagram und Co. zu sehen bekommen, hat oft wenig mit der Realität zu tun – vieles davon ist schlichtweg fake. Ich hoffe, dass sich die jungen Frauen dessen bewusst sind, sich selbst treu bleiben und sich in den gängigen Make-up Trends nicht verlieren. Ferner wünsche ich mir, dass der aktuelle Health-und-Fitness-Trend Frauen dazu bringt, sich vermehrt Gedanken darüber zu machen, welche Produkte sie tagtäglich verwenden und auf ihr grösstes Organ, die Haut, schmieren.

Sarahs Geheimrezepte:  

Ein regelmässiges, sanftes Peeling Dabei werden die abgestorbenen Hautschuppen entfernt, die Poren sind weniger verstopft und die Haut strahlt schöner.

Pure Öle Die Haut mit puren, konzentrierten Pflanzenölen pflegen, anstatt mit Cremen, die oft zum grössten Teil aus Wasser bestehen. Zum Beispiel mit dem Beauty Oil oder Balancing Oil von PRETTY & PURE ORGANICS.

PRETTY & PURE ORGANICS
PRETTY & PURE ORGANICS ist die eigene Beauty-Linie von Sarah Semrau. Die hoch konzentrierten Produkte werden vor Ort in Eigenarbeit hergestellt. Die Ideen und Formulierungen werden vom ganzen Team gemeinsam entwickelt – #GIRLPOWER!

Sarahs Lieblingsprodukte:

Photocredits:
Rahel Fenini, Sarah Semrau