ArtCultureUltra Violet Issue

Gender in Digital Reality

Sandra von Euw

Die aktuelle fempop Ausgabe hat sich gänzlich jener Farbe gewidmet, die die Vogue mit folgenden Worten beschreibt:  “Ein dramatischer Lilaton der Originalität, Einfallsreichtum und visionäres Denken ausdrücken soll und für die unendlichen Weiten des Nachthimmels steht“. Originell, einfallsreich und visionär ist auch die von Laura Falletta und Ronja Oki kuratierte Ausstellung „Gender in Digital Reality“.

Bereits beim Betreten der Ausstellung „Gender in Digital Reality“ springen einem leuchtend-farbige Installationen auf iPads und iPhones entgegen, die von sphärisch-rhythmischen Klängen untermalt werden. Bei meinem Treffen mit den beiden Kuratorinnen im Ausstellungsraum in Zürich erzählen sie mir von ihrer Inspiration und dem Zustandekommen der Ausstellung. Gemeinsam bilden sie das Kuratoren-Duo Hot4U, das seinen Sitz in Zürich hat und nun mit „Gender in Digital Reality“ seine erste Ausstellung präsentierte.
Als Ort des Geschehens wählten sie die Buchhandlung „Material“, jene Zürcher Buchhandlung, die sich dem Verkauf von Publikationen von unabhängigen und kleinen Verlagen verschrieben hat und ausschliesslich Bücher im Sortiment führt, die es sonst nirgends zu kaufen gibt.

Die Inspiration für ihre Ausstellung fanden Laura und Ronja in den Worten der US-Philosophin Judith Butler, die vor rund 30 Jahren damit begonnen hat, das Thema der Performativität des sozialen Geschlechts zu verhandeln. Butler versteht darunter, dass die Geschlechterrolle nicht eine stabile, sondern zerbrechliche Identität ist. Diese wird immer wieder durch stilisierte Wiederholungen und Akte, wie etwa körperliche Gesten, Bewegungen oder Inszenierungen, neu konstituiert.
Es sollte eine Gruppenausstellung werden, welche die Performance der Geschlechterrollen in unserer Gesellschaft im Kontext Digitaler Medien untersucht. Die Neuen Medien liegen an der Schnittstelle zwischen Privatsphäre und Öffentlichkeit, an der aktuelle Tendenzen in allen Gesellschaftsschichten und Altersklassen am schnellsten sichtbar werden. Mit Instagram, Snapchat und Co. sind neue Plattformen entstanden, auf denen sich neue Realitäten schaffen und leben lassen, das Ich in den Vordergrund gerückt wird und die Gefahr besteht, ständig „Mehr Schein-als-Sein“ zu zelebrieren als andersrum. Die Selbstoptimierung ist Trumpf sozusagen. Bewusst suchten Laura und Ronja nach jungen, aufstrebenden Kunstschaffenden und scheuten den Blick über den Tellerrand nicht. Was sie schliesslich in Berlin fanden, überzeugte mich am meisten.

Stop the Lap Dance, I & II

Untitled (Stop the Lap Dance, I) & Untitled (Stop the Lap Dance, II), 2018 nennt die junge Künstlerin Phia Seidler ihr zweiteiliges Kunstwerk, bestehend aus digitalen Zeichnungen abgespielt auf drei digitalen Medienträgern und einem vollfarbigen Digitaldruck in Hochglanz.

Auf iPhones zeigt Phia Seidler eine Serie von 144 Miniaturzeichnungen, die sie alle direkt auf dem Smartphone gezeichnet hat. Stetig wandeln sich die skizzenhaften Bilder und fliessen zu neuen Formen zusammen. Aus Strich wird Kreis wird schemenhaft erkennbares Geschlechtsorgan – oder bleibt Strich und Kreis, je nach momentaner Gefühlslage der/des Betrachtenden. Die Zeichnungen zeugen von einer aktuellen Sprache, in der Zeit zu einer Mangelware geworden ist und Rastlosigkeit unser Leben bestimmt. Inspiriert wurde die Künstlerin von jener Dating-App, mit der wir anhand weniger Adjektive und Fotos entscheiden, wer ein/e potenzielle/r Partner/in sein könnte. Ganz im Motto von: Swipe for Happiness.

 

Für alle diejenigen, die die Ausstellung verpasst haben, gibt’s auf der Webseite von Hot4U Ausstellungsansichten zum Nachschauen.

www.hot4u.ch