HeroinePower Issue

“Die Playbar ist mein Kind und mein Herz”: Unsere #heroine Vera Widmer

Lara Blatter

#heroine Vera Widmer

Keine Bar in Zürich liebt die fempop-Redaktion mehr als die Playbar an der Badenerstrasse 277. Hier gibt’s nicht nur das schönste Interieur (Sternenhimmel inklusive) der Stadt, eine ungezwungene Atmosphäre, gute Drinks, eine fantastische Jukebox und die richtige Portion Trash – nein, hier gibt es eben auch Vera. Vera Widmer, die seit Jahren hinter dem Tresen ihrer Playbar steht, ist Grund dafür, dass wir immer wiederkommen. Denn Vera ist Inspiration und Kultfigur in einem. Eine #heroine, die viel zu erzählen – und zu geben – hat. 

tsüri-Praktikantin Lara Blatter hat Vera zum Interview für die Reihe “Frauen im Nachtleben” getroffen. Den daraus entstandenen Artikel durfte die fempop-Redaktion für die #heroine-Rubrik unserer POWER ISSUE übernehmen. Danke Lara, danke tsüri!

Unsere #heroine Vera vor ihrer Playbar

Vera Widmer steht seit 12,5 Jahren hinter dem Tresen ihrer Playbar, wo schon Céline Dion und Muhammad Ali verkehrten. Wird ein Gast frech, wirft sie ihn mit den Worten “Schätzeli, zahle, da isch d’Türe” raus.

Champagner oder Bier – alle sind gleich
Weisst du, ich habe zwei Seiten: Eine liebe und eine dominante. Beide sind unglaublich wichtig, die Leute haben Respekt vor mir”, sagt Vera. Spannungen erkennt sie sofort. In ihren 12,5 Jahren im Play hätte sie noch nie – sie schlägt auf den Tresen, Holz anfassen – eine Auseinandersetzung gehabt. Komme jemand zur Türe rein, merke sie sofort, wenn er*sie ihr den Abend ruinieren würde. “Wenn die Person sitzt, ist es zu spät. Du musst das vorher auf eine ruhige, aber bestimmte Art ansprechen.”

Veras Lachen kommt vom Herzen, aber gegen sie aufmucken wagt man nicht.

Vera erzählt von ihren legendären Apéroplatten oder Geburtstagspartys im Play. Sie liebt es, ihre Gäste zu verwöhnen. Aber Respekt sei das oberste Gebot und diesen schaffe man sich. Egal, ob jemand nur ein Bier trinke oder eine Flasche Champagner bestelle, jeder Gast werde gleich behandelt. “Führt sich jemand daneben auf, egal wie hoch seine Rechnung ist, ich gehe zu ihm und sage: Schätzeli, zahle, da isch d’Türe.” Ohne wenn und aber. Es gäbe zwei Themen – Religion und Politik – darüber diskutiere sie in der Bar nicht, früher oder später sorge das für eine ungute Stimmung. Veras Lachen kommt vom Herzen, aber gegen sie aufmucken wagt man nicht.

Veras Team besteht aus Frauen, zu 200 Prozent stehe sie hinter diesen. “Aber viele Frauen haben irgendwann genug vom Nachtleben, sie wollen einen geregelten Tagesablauf und Familie. Für mich war das alles nie, nie ein Thema”, sagt Vera, “aber ja, die Gastro ist ein hartes Business, du musst gewillt sein, Präsenzzeit zu geben und dich durchsetzen können.”

Ob Champagner oder Bier – in der Playbar werden alle gleich behandelt

Lockdown, Blumen und Bar-Mythen
Der Lockdown sei ein Test gewesen: Was ist, wenn es die Playbar eines Tages nicht mehr gibt? In ein paar Jahren könnte das der Fall sein, doch Vera zieht gleichzeitig das “ein paar” derart in die Länge, dass klar ist, das Play wird es noch eine Weile geben. Anfangs der Corona-Krise erwachte sie morgens und dachte es handle sich um einen schlechten Traum. Es war die Realität und so machte sie das Beste daraus. Langweilig sei ihr jedenfalls nie gewesen, aber die Gesellschaft um sie herum fehlte. «”Ich habe gekocht, die Bar von oben bis unten geputzt und den Garten zu Hause auseinandergenommen – da hatte ich ein Blumenbeet, das von Unkraut übersät war, schrecklich”, erzählt Vera. Sie selbst wohnt etwas ausserhalb der Stadt. “Nein, nein um Himmelswillen, klar ich liebe die Stadt, aber ich bin kein Stadtkind.» Die Bar ist ihr Zuhause und der Garten ihr Ausgleich: “Wir haben teils heavy Nächte hinter uns, da gibt es nichts Schöneres, als im Liegestuhl im Garten zu liegen.”

Vera liebt Blumen, so landet das Gespräch bei einer Beobachtung: Läuft man spätnachmittags durch die Strassen, so sieht man des öfteren Blütenblätter vor den Eingängen kleiner Bars liegen. Zufall? Vera verneint, die Blätter werden aus einem simplen Grund zerstreut: «Das bringt Glück! Es ist so bisschen wie Voodoo, wobei Voodoo ist das falsche Wort…» Vera erzählt von anderen, ähnlichen Bräuchen. Am frühen Abend zünde man ein getrocknetes Lorbeerblatt an, brenne es sofort, so werde der Abend gut, wenn nicht, sei das Gegenteil der Fall. Oder Knoblauzehen: Versteckt in den Ecken einer Bar, vertreiben sie böse Geister. Im Play findet man keinen Knoblauch und Blumen hätte sie gerade keine bekommen. Neben einer Flasche Averna steht ein Buddha und wacht über die Bar. Dieser bringe ihr Glück.

Wenn Wände sprechen könnten
“Junge Kund*innen erzählen mir, dass ihre Eltern schon im Play waren, das ist doch toll”, so Vera und erzählt, dass in diesen Räumen schon 1962 Leute ein- und ausgingen, auch Prominenz wie Muhammad Ali oder Célin Dion. Das mit Ali sei so eine Geschichte. Zwei Männer hätten miteinander um eine Flasche Whiskey gewettet, ihn nach Zürich zu bringen. Ali kam, siegte und feierte im Play. Für den Innenausbau der Bar, sei der Architekt Aldo Rossi verantwortlich. “Ein spezieller Architekt, ich sah ihn früher in anderen Bars, stets mit Meter und Kugelschreiber und er wollte immer gleich alle Bars umbauen.”

Veras Blick fliegt durch die Bar, vom Tresen, über die Marmorwand hinauf zur verspiegelten Decke: “Könnten diese Wände sprechen, die würden Geschichten erzählen, das wäre spannend”, sagt sie mit einem Funkeln in den Augen. Und wer schon im Play war, weiss genau, dass Vera genauso viele Dinge über das Leben zu erzählen hat.

Photocredit: Elio Donauer