CultureTheatre + PerformanceYouth Issue

Don’t Feed the Troll

Sandra von Euw

Alle kennen es – zumindest diejenigen unter uns, die über einen aktiven Socialmedia-Account verfügen: Schnell das Selfie mit der besten Freundin posten, das Video einer durchzechten Nacht als Story mit seinen Followern teilen oder die Ferienpläne auf Facebook kundtun. Und schon ist’s passiert. Völlig Fremde kommentieren das ach-so-schöne Bild und immer häufiger machen sie das auf eine fiese, verletzende und degradierende Art und Weise. Kennst du? Ich auch!

Und auch immer mehr Jugendlichen in der Schweiz geht es so. Eine Erhebung der Zürcher Oberjugendanwaltschaft von 2018 hat gezeigt, dass Smartphones und Social Media bei Strafuntersuchungen gegen Jugendliche eine immer wichtigere Rolle spielen. Etwa jede zweite Ehrverletzung und jede vierte Drohung findet im digitalen Raum statt. Die Zahl derjenigen, die sich aber aus Angst und Scham nicht bei der Polizei melden, ist noch um einiges höher.

Doch wer trägt für die Aufklärung der Jugendlichen im Umgang mit Social Media die Verantwortung? Sind es die Eltern, die ihren Kindern die Smartphones oder Laptops kaufen? Oder sind es die Lehrer_innen, die Tag für Tag die Chance hätten, solch wichtige Themen in den Schulstoff einfliessen zu lassen?

Junges Theater
Dass Aufklärungsarbeit nicht immer in Form von trockenem Lesestoff oder belehrenden Aufklärungsvideos daher kommen muss, zeigt eine Basler Kulturinstitution. Das junge theater basel, seit 1977 der Ort für junges Theater in Basel. Ein Ort, an dem Jugendliche primär für ihre Peers spielen und pro Saison mit der Unterstütztung einer professionellen Leitung zwei Stücke aufführen.

Das junge theater basel hat einen völlig neuen Weg gewählt, um Aufklärungsarbeit zu leisten. Neben den “normalen” Theaterstücken, bei denen die Zielgruppe Teens nur teilweise im Publikum anzutreffen ist, führen sie sogenannte Klassenzimmerstücke auf. Wie der Name schon sagt, werden die exakt auf eine Schulstunde getimten Stücke im Klassenzimmer aufgeführt.

Nach Der 12. Mann ist eine Frau 2006 und Untenrum 2011 inszeniert Regisseurin Suna Gürler in Don’t feed the troll  eine Performance zu Medienkompetenz und Hasskommentaren im Internet. Das Stück wirft die Frage auf, wie wir miteinander umgehen wollen: im Netz – und im “echten” Leben. Um so nah an die Realität wie möglich zu kommen, hat Suna Gürler zahlreiche Interviews mit Jugendlichen geführt und ihnen Fragen gestellt. “Wie kann ich die Meinungen Anderer akzeptieren?” – “Wann ist ein Streit trotzdem nötig?” – “Wie viel kann ich ‘einstecken’?” – “Und was finde ich besser: im Netz ‘herum zu trollen’ oder meine Fäuste in der Realität zu gebrauchen?”

The Story
Der Auftakt des Stücks gleicht einem Überfall: Drei junge Frauen stürmen das Klassenzimmer und verkünden den ahnungslosen Schülerinnen und Schülern lauthals, dass sie diesen fiesen Troll schon finden werden.
Als kleine Info am Rande für all jene, die mit dem Cyber-Jargon nicht so vertraut sind: Ein Troll ist jemand, der in der angeblichen Anonymität des Internets seine Frustration rauslässt. Er provoziert, pöbelt und motzt rum, hinterlässt Hasskommentare und mobbt. Ein richtiges Ar***lo** halt!

Doch weiter im Skript: Dieser fiese Troll hat nämlich Videos aller drei Protagonistinnen so fies und gemein kommentiert, dass sie ihn nun zur Rede stellen wollen. Hitzig wird hin und her diskutiert, wer was und auf welche Weise mit ihr oder ihm anstellen will. Schnell wird den drei Frauen klar, dass sich dieses Online-Verhalten nicht gross von den Streitereien und Foppereien unterscheidet, die alle vom Pausenplatz kennen. Nur dass sich die Gemeinheiten online nicht mehr auf 8-16 Uhr beschränken. Online gehen sie nämlich nach Schulschluss weiter und das verändert die ganze Streitkultur der Teens untereinander. Neu wird 24/7 gehatet– danke Social Media!

Das Stück endet nach 45 Minuten abrupt, noch bevor der Troll entlarvt werden kann. Aber das macht gar nichts, denn die drei Schauspielerinnen Lee-Ann Aerni (*1999), Lou Haltinner (*1999) und Sascha Bitterli (*1997) wissen es zu unterhalten – mit ihrem Slang und einem berauschenden Tempo begeistern sie nicht nur die Teens.

Das Klassenzimmerstück können Lehrerinnen und Lehrer beim jungen theater basel buchen. Und das sollten sie unbedingt, denn auf eine solch direkte und zielgruppenorientierte Art und Weise bekommen Schülerinnen und Schüler Medienkompetenz sonst nicht vermittelt.

Aber auch alle anderen, die nicht mehr die Schulbank drücken, haben am 21. Mai 2019 beim Festival augenauf! in in Winterthur gleich dreimal die Chance, das Stück zu sehen.